Carolyn Goodman erinnert sich vor allem an die Kopfschmerzen, die sie bekam, als sie Zeugin beim Kräftemessen zweier politischer Kampfhähne wurde. Da ging es laut, schnell und wahrscheinlich auch ziemlich vulgär zu. »Oscar hat ein riesiges Ego, und Donald hat ein nicht minder großes Ego. Das war zu viel für mich – ich bin gegangen.«
Carolyn Goodman, Bürgermeisterin von Las Vegas, redet von einem Treffen – mehrere Jahre ist das jetzt her – zwischen ihrem Mann Oscar Goodman und dem Immobilienmogul und gegenwärtigen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump.
»Ich ziehe diesen Vergleich nur ungern«, sagt Carolyn Goodman, »aber beide, mein Mann und Donald, sind extrem extrovertiert, schillernd und großspurig.« Allerdings sei Oscar ein guter, ehrlicher und warmherziger Mensch, sagt sie. »Und religiös, sehr sogar.« Von Donald Trump mag sie nicht das Gegenteil behaupten. Sie kenne ihn halt kaum.
Direktheit Es ist eine seltsame Mischung aus lakonischer Direktheit und liebevoller Loyalität, mit der Carolyn Goodman über ihren Mann spricht. Kein Wunder, denn die beiden bilden seit fast 54 Jahren – so lange sind sie verheiratet – eine symbiotische Einheit, privat wie politisch.
Carolyn Goodman (77) ist seit 2011 Bürgermeisterin von Las Vegas. Sie folgte ihrem Mann, der nach zwölf Jahren nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren durfte. Die Goodman-Show sollte weitergehen, befanden 60 Prozent der Bürger von Las Vegas, die Carolyn bei der Wahl ihre Stimme gaben.
»Die Goodmans sind unsere neue Dynastie«, sagt David F. Damore, Professor für Politische Wissenschaft an der Universität von Nevada. »Die gute Nachricht ist, dass der Bürgermeister von Las Vegas laut Verfassung nicht allzu viel Macht hat.«
Carolyn Goodman stört es nicht im Geringsten, dass viele sie für den verlängerten Arm ihres Mannes halten, der seit seinem Abschied vom Bürgermeisteramt dem Tourismusbüro der Spielerstadt vorsteht. »Es reicht, wenn ich selbst weiß, dass ich meine eigenen Akzente setze«, sagt sie. Eines der Themen, die ihr am Herzen liegen, ist Bildung. Besonders für Kinder aus unterprivilegierten Familien will sie den Zugang zu einer guten Schulbildung verbessern. Böse Zungen nennen Las Vegas »die dümmste Stadt Amerikas«. Tatsächlich hat die Sin City mit 22 Prozent eine der niedrigsten Raten von College-Absolventen im ganzen Land. Carolyn Goodman gründete bereits 1984 die private Meadows School, die Schüler gezielt auf den Besuch einer Universität vorbereitet.
Ihre bislang größte Herausforderung als Bürgermeisterin von Las Vegas? »Die Stadt aus der schrecklichen Rezession zu führen, die 2008 über uns hereinbrach«, sagt sie. Die Wirtschaftskrise traf die Stadt der Casinos besonders hart, die Immobilienblase war hier praller als anderswo, bevor sie lautstark platzte. Die Häuserpreise sackten ins Bodenlose, Las Vegas verzeichnete die zweithöchste Zahl von Zwangsversteigerungen in Amerika, Touristen blieben aus, und Obdachlose aus dem Norden zog es wegen des warmen Klimas in die Wüste. Mittlerweile hat sich die Stadt erholt. Mehr als 42 Millionen Besucher kamen im vergangenen Jahr – ein neuer Rekord. Auch die Immobilienpreise ziehen wieder an.
Carolyn Goodman ist eine propere Erscheinung; mit ihrem ondulierten blonden Lockenkopf, dem sorgsam aufgetragenen Make-up und den feinen Kostümen erinnert sie an eine Society-Diva aus den 40er-Jahren. Ihr Büro befindet sich im siebten Stock des Rathauses mit gigantischer Spiegelfassade, das ihr Mann noch plante, aber nie bezog. Aus dem Fenster hat sie einen weiten Blick auf den Strip, das neue Kulturzentrum und die Zweigstelle der berühmten Cleveland Clinic, deren Gebäude von Stararchitekt Frank Gehry entworfen wurde.
Mafia Einig in der Sache, verschieden im Stil – dieser Beschreibung würden die Goodmans, die es zusammen auf mittlerweile 17 Jahre Regentschaft in Las Vegas bringen, wohl zustimmen. Da ist Oscar Goodman (76). Er begann seine Karriere als Mobster-Anwalt, einem Verteidiger von Gangstern. Zu seinen ebenso berühmten wie berüchtigten Mandanten zählten die Mafia-Bosse Meyer Lansky, Nicky Scarfo, Herbert »Fat Herbie« Blitzstein, Frank »Lefty« Rosenthal und Anthony, genannt »Tony the Ant«, Spilotro.
Als Bürgermeister ließ er sich mit leicht bekleideten Showgirls und Martini-Glas ablichten und Casino-Chips mit seinem Konterfei bedrucken. Er spielte sich selbst in Martin Scorseses Mafia-Thriller Casino, drohte Graffiti-Sprayern damit, ihnen kurzerhand die Daumen abzuschneiden und antwortete auf eine Frage von Grundschülern, was er denn auf eine einsame Insel mitnehmen würde: »Eine Flasche Bombay Sapphire Gin«. Die Eltern waren empört – was Goodman nicht verstand.
Carolyn Goodman ist längst an die Skandale und Skandälchen gewöhnt, die ihr Mann in verlässlichen Abständen provoziert. »Das ist, in gewisser Weise, eine gute Sache. Denn Oscar liebt die Aufmerksamkeit. Er braucht das Rampenlicht.« Sie selbst, sagt sie, sei zwar »sehr extrovertiert, aber ich muss nicht auf der großen Bühne stehen«. Sie spielt nicht. Sie raucht keine Zigarren. Und sie findet, dass der Lieblings-Gin ihres Mannes wie Haarwasser riecht.
Zugleich betont sie, dass ihr Mann ihr wichtigster und wertvollster politischer Ratgeber sei. »Er ist ein kluger und sehr kreativer Mensch mit einem fotografischen Gedächtnis«, sagt sie. Umgekehrt lässt sich Oscar Goodman gerne mit einem sehr speziellen Kompliment für seine Frau zitieren. Er sei stolz auf Carolyn, sagt er. Denn: »Sie hat das Testosteron mehrerer Elefantenbullen.«
Herkunft Carolyn und Oscar Goodman scheinen perfekt zu Las Vegas zu passen, der schrillen, ordinären, neonflackernden Stadt. Und das, obwohl das Paar eigentlich an der Ostküste zu Hause ist. Oscar Goodman stammt aus einer orthodoxen jüdischen Familie in Philadelphia. Carolyn wurde in Manhattan geboren, als Tochter eines Arztes und Großnichte eines Komponisten, allesamt säkulare Juden. »Ich war bis zu meinem 16. Lebensjahr nie in einer Synagoge«, sagt sie. Erst als sie Oscar kennenlernte, habe sie sich mit ihrem eigenen Judentum beschäftigt. »Ich habe viel gelesen, viel gefragt und viel gelernt.«
Carolyn Goodman traf ihren Mann auf dem College in Philadelphia, wo sie Soziologie und Anthropologie studierte. Oscar sei ein Schürzenjäger und Macho gewesen. »Aber ich habe eben eine Schwäche für starke Männer«, sagt sie, seufzt und lacht. Die beiden heirateten 1961. 1964 bekam Oscar ein Jobangebot in Las Vegas. »Das war ein Kulturschock«, sagt Carolyn Goodman. »Aber wir waren jung, frisch verheiratet und abenteuerlustig.« 1964 hatte die Stadt gerade einmal 127.000 Einwohner. Heute sind es 2,1 Millionen. »Als wir ankamen, besaßen wir 87 Dollar, ein Ehebett und ein paar Bücherkisten.« Oscar Goodman begann, als Anwalt zu arbeiten, Carolyn fand einen Job in einer Werbeagentur, machte nebenbei ihren Master in Psychologie. Später adoptierte das Paar vier Kinder.
So wie die gesamte Stadt, so ist auch die jüdische Gemeinde von Las Vegas in den vergangenen 50 Jahren rasant gewachsen. 1964 gab es eine einzige Synagoge. Heute leben schätzungsweise 80.000 Juden in Las Vegas, es gibt 28 Synagogengemeinden und vier jüdische Schulen.
Das Judentum sei noch immer die Basis ihrer Beziehung, sagt Carolyn, ein starkes spirituelles Bindeglied. »Während der Pessachtage führe ich ein koscheres Haus«, sagt sie, mit streng getrenntem Geschirr und Besteck. Für den Rest des Jahres legt sie die Kaschrut etwas lockerer aus.
Die Geschichte der Stadt Las Vegas ist eng mit ihren jüdischen Bürgern verbunden. In der Stadt der Sünde gingen organisiertes Verbrechen, Pioniergeist, pragmatischer Geschäftssinn und eine gute Portion Chuzpe eine äußerst produktive Verbindung ein. Viele Unterweltbosse, die Las Vegas von einem verschlafenen Außenposten in der Wüste zur vibrierenden Spaß- und Spielerstadt machten, waren Juden – Mobster-Ikonen wie Meyer Lansky und Bugsy Siegel, der mit dem »Flamingo« das erste Casino auf dem heutigen Strip errichtete.
Kennedy Hank Greenspun, Gründer der Tageszeitung »Las Vegas Sun«, schmuggelte in den 40er-Jahren, vor der Gründung des Staates Israel, Waffen an die paramilitärische Hagana, die Vorgängerin der israelischen Armee. Er wurde verurteilt und 1961 von Präsident John F. Kennedy begnadigt.
Jüdische Geschäftsleute prägen auch das Bild des modernen Las Vegas. Hotel-Magnat Steve Wynn gründete die Casino-Klassiker Mirage und Bellagio, wo bis heute Mazzeknödel-Suppe und Latkes auf der Speisekarte stehen. Sein Konkurrent Sheldon Adelson baute das Venetian Hotel und half dabei, Las Vegas als internationales Konferenz- und Messezentrum zu etablieren. Taxi-Gigant Milton Schwartz spendete große Teile seines Vermögens für die jüdische Philanthropie – und für die Republikanische Partei.
Mit Parteipolitik will Carolyn Goodman indes nicht wirklich etwas zu tun haben. »Meine Haltung ist: Als Bürgermeisterin vertrete ich die Bewohner meiner Stadt, nicht nur die Demokraten oder die Republikaner.« Dabei war sie viele Jahre, ebenso wie ihr Mann, Mitglied der Demokratischen Partei. Heute ist sie parteilos.
Den Präsidentschaftswahlkampf findet sie »sehr interessant«. Wen sie im November wählen werde, wisse sie noch nicht, sagt sie. Aber eines weiß sie genau: »Oscar wäre ein großartiger Gegner für Donald Trump gewesen«, doch leider sei ihr Mann dann doch zu alt für eine Kandidatur. Aber so ganz kann sie von dem aparten Gedankenspiel nicht lassen. »Die Fernsehdebatten zwischen den beiden wären äußerst unterhaltsam für das Publikum gewesen – und eine ziemliche Herausforderung für Herrn Trump.«