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Die Erfindung der Kohanot

Gründerin Rabbi Jill Hammer (M.) bei einer Veranstaltung im Kohenet Hebrew Priestess Institute Foto: Faryn Borella

Rote Leinentücher hängen in den Bäumen, ein Dutzend Frauen sitzt im Kreis um einige Trommeln und singt von der Schechina, der weiblichen Dimension Gottes. Die Frauen sind sogenannte Kohanot, jüdische Priesterinnen – zu sehen in einem Werbevideo für das Kohenet Hebrew Priestess Institute, die Ausbildungsstätte, der sie ihren Priesterinnentitel verdanken.

Die Einrichtung wurde 2004 gemeinsam von der Rabbinerin Jill Hammer und einer Kollegin gegründet. Zuvor hatte Hammer, die sich als Feministin bezeichnet, in Sozialpsychologie promoviert und dann am Jewish Theological Seminary (JTS), dem konservativen Rabbinerseminar in New York, studiert und ihre Smicha erhalten.

Doch so sehr sie die Zeit des Rabbinatsstudiums auch genossen hat – es ließ sie das Gefühl nicht los, dass etwas fehlt. »Die sechs Jahre am JTS zeigten mir: Es gibt einen Bedarf für unser Programm«, erinnert sie sich.

Die Schulgründerin fühlt sich durch Ausgrabungen in Israel bestätigt.

Sie fand es frustrierend, dass die Texte, die als Grundlage für die Ausbildung von Rabbinern dienen, ausnahmslos von Männern stammen. »Die Beiträge, die Frauen zum spirituellen Leben einer Gemeinschaft geleistet haben, als Heilerinnen, Traumdeuterinnen und Zauberinnen, wurden marginalisiert, als Folklore abgetan«, sagt sie.

Ordination Anders als das Rabbinatsstudium dauert die Ausbildung zur Kohenet nur drei Jahre, also halb so lang, und kostet nur einen Bruchteil dessen. Zugelassen werden nur Frauen oder Non-binary-Personen. Am Ende steht die Verleihung der Priesterwürde, eine Form der Ordination. Ihrem Selbstverständnis nach sind die Absolventinnen jüdische Geistliche.

»Ich wollte alles umdrehen und sehen, was passiert, wenn die spirituelle Arbeit von Frauen in den Mittelpunkt rückt«, erläutert Hammer. Das Textstudium behandelt vor allem Beiträge von und über Frauen. Die Teilnehmerinnen lernen die 13 Netivot, weibliche Rollenbeschreibungen, kennen und üben rituelle Handlungen und Zeremonien.

Zudem möchte Hammer die Abstammungsgeschichte von Frauen im Judentum und damit verbunden die Wertschätzung der spirituellen Leistungen von Frauen anders interpretiert sehen.

»Rabbiner berufen sich auf die männlichen Rabbiner des Talmuds, die wiederum andere Rabbiner zu Rabbinern ausgebildet haben«, sagt sie. Frauen tauchten in dieser Geschichtsschreibung nicht auf. Wenn man jedoch biblische Geschichten nicht durch eine patriarchale Brille lese, könne man sehen, dass Frauen und ihre Arbeit schon immer präsent waren.

In ihrer Sichtweise fühlt Hammer sich durch Ausgrabungen in Israel und seiner Umgebung bestätigt. Funde von Altären, Grabsteinen und Ikonen hätten gezeigt, dass es Frauen schon damals möglich war, sich am spirituellen Leben zu beteiligen, und sie dies sehr zum Wohle der Gemeinschaft nutzten.

Perspektiven Heute lasse sich die Rolle einer Kohenet nicht eindeutig definieren, sagt Hammer. »Unsere Absolventinnen arbeiten später als Rabbinerinnen oder Seelsorgerinnen, Sterbebegleiterinnen, Aktivistinnen, Schriftstellerinnen, Hebammen oder Kantorinnen«, fasst sie stolz zusammen.

Im Winter 2016 verspürte Rachel Kann einen starken, ihr unerklärlichen Drang, Kohenet zu werden. Sie meldete sich zum zweiten Ausbildungsjahrgang in Kalifornien an und ist seit vergangenem Sommer ausgebildete Priesterin.

»Meine Ratio wollte nicht, aber das Universum sagte mir, dass der Titel ›Kohenet‹ einmal nützlich sein würde«, erinnert sich Kann, die ausgebildete Balletttänzerin sowie schriftstellerisch tätig ist und auch als Performance-Künstlerin auftritt.

workshops Seit einigen Jahren arbeitet sie bei der konservativen Gemeinde Mishkon Tephilo in Venice Beach, Kalifornien, mit. Dort leitet sie einmal im Monat den Morgengottesdienst am Schabbat. Darüber hinaus bietet sie Workshops und Kurse an. »Ich versuche mit meiner Arbeit nicht, die existierenden Strukturen abzuschaffen«, erklärt Kann. »Vielmehr will ich einen anderen Weg aufzeigen.« Dieser führe zu einem »feministischen, körperlichen, toleranten Judentum«.

Ihre andere Herangehensweise an Religion und Liturgie gibt sie zur Freude von Gabriel Botnick, dem Masorti-Gemeinde­rabbiner von Mishkon Tephilo, an die rund 180 Mitglieder weiter.

Botnick bezeichnet sich selbst als Hippie, der gern die Grenzen des konservativen Judentums austestet. Nach seinen Erkenntnissen ist seine Gemeinde die einzige in den USA, die eine Kohenet beschäftigt.

Unbehagen Der Rabbiner lernte Kann vor vier Jahren bei einer Sukkot-Veranstaltung kennen. Zuvor hatte er noch nie von modernen jüdischen Priesterinnen oder dem Kohenet Institute gehört. »Ich dachte, das sei ein Scherz«, erinnert er sich.

Seit einigen Jahren arbeitet sie bei der konservativen Gemeinde Mishkon Tephilo in Venice Beach, Kalifornien, mit.

Sein eigenes Unbehagen gegenüber einer Bildungseinrichtung, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Frauen die Priesterwürde zu verleihen, erklärt seiner Meinung nach auch den Mangel an Akzeptanz von Kohanot in der jüdischen Welt.

»Das Programm ist sehr mysteriös«, findet Botnick. Außerdem empfänden viele den Begriff »Priesterin« als unangenehm, da er zu christlich klinge. Obwohl Botnick eine gute Arbeitsbeziehung zu Kann hat und es schätzt, dass ihre Aktivitäten Menschen ansprechen, die sonst nicht den Weg zum Gottesdienst finden, sieht er sie nicht auf der gleichen Ebene mit Rabbinern und Kantoren.

riten »Rachel weiß viel und hat offensichtlich viel über jüdische Texte und Riten gelernt«, sagt er, »doch ein Rabbinatsstudium geht meiner Meinung nach tiefer.« Außerdem seien Rabbiner befähigt, juristisch bindende Entscheidungen auf Grundlage der Religionsgesetze zu treffen.

Jill Hammer, die an der konfessionsübergreifenden Jewish Academy of Religion Professorin ist, findet es nicht schlimm, dass manche ihre Einrichtung und deren Absolventen nicht anerkennen. »Wir erleben viel Zustimmung aus der jüdischen Welt – obwohl es bestimmt einige gibt, die nicht gut finden, was wir machen, aber die reden ohnehin nicht mit uns«, fasst sie zusammen.

Die Erwartungen, die Rachel Kann vor vier Jahren hatte, haben sich erfüllt. »Ich fühle mich mehr denn je spirituell geerdet«, sagt sie.

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