Fast ein Viertel aller Juden in verschiedenen Ländern Europas vermeiden es laut einer neuen Studie aus Furcht vor Antisemitismus, sich öffentlich als Juden zu erkennen zu geben oder jüdische Stätten zu besuchen. Das geht aus einer Umfrage der EU-Grundrechteagentur (FRA) in neun europäischen Ländern hervor.
Schweden Die Angst, eine Kippa oder andere jüdische Symbole öffentlich zu tragen oder zur Schau zu stellen, ist demnach in Schweden besonders stark. 49 Prozent der dort Befragten sagten, sie würden dies vermeiden. In Frankreich waren es 40 Prozent, in Belgien 36 Prozent. 22 Prozent aller Befragten erklärten, sie vermieden »jüdische Stätten oder Veranstaltungen« wegen Sicherheitsbedenken.
»Die Ergebnisse zeigen, dass eine Mehrheit der Juden Europas einen Anstieg des Antisemitismus wahrnimmt«, sagte der SPD-Politiker Gert Weisskirchen, der von 2005 bis 2008 persönlicher Beauftragter des OSZE-Vorsitzenden zur Bekämpfung des Antisemitismus war, am Dienstag während einer Konferenz in Kiew.
Studie Die Studie wurde online von Frankreich aus zwischen September 2012 und September 2013 durchgeführt. Die mehr als 5100 Befragten kommen aus England, Belgien, Deutschland, Frankreich, Schweden, Italien, Ungarn, Rumänien und Lettland. In vollem Umfang soll die Studie im kommenden Monat in Wilna veröffentlicht werden.
In Ungarn gaben 91 Prozent der Befragten an, der Antisemitismus habe in den vergangenen fünf Jahren zugenommen. In Frankreich waren es 88 Prozent, in Schweden 80 und in Deutschland 60 Prozent. 16 Prozent der Befragten in Deutschland sagten zudem, sie hätten in den vergangenen zwölf Monaten einen antisemitischen Vorfall erlebt. In Ungarn waren es 30 Prozent.
»Die einzelnen Staaten müssen nicht nur um der heutigen Generation willen gegen den Antisemitismus kämpfen, sondern verhindern, dass die Situation für die kommende Generation noch schlimmer wird«, sagte Oleksandr Feldman, ein jüdisches Mitglied des ukrainischen Parlaments. Er hatte eine zweitägige Konferenz mit dem Titel »Vom Beilis-Prozess nach Berlin und darüber hinaus« organisiert. Anlass war der 100. Jahrestag des antisemitischen Ritualmordprozesses gegen Menachem Mendel Beilis, dem vorgeworfen worden war, ein christliches Kind getötet und dessen Blut missbraucht zu haben. jta