USA

Der Unabhängige

Michael Bloomberg Foto: dpa

Die in diesem Jahr stattfindenden Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten sind reich an Drehungen und Wendungen. Vermeintliche Außenseiter wie der Milliardär und Immobilienmogul Donald Trump und der Sozialist Bernie Sanders liegen in vielen Umfragen vorn. Doch diese irrwitzige Wahl wartet noch mit anderen Überraschungen auf. Während Wähler in Iowa und New Hampshire die ersten Stimmzettel einwarfen, wurden Gerüchte laut, der ehemalige Bürgermeister von New York und jüdische Milliardär Michael Bloomberg, dessen Vermögen selbst das von Donald Trump weit in den Schatten stellt, erwäge, als Unabhängiger für das Präsidentenamt zu kandidieren. Jetzt hat er entsprechende Pläne bestätigt.

»Es gibt viele Gründe, warum Bloomberg ein wirklicher Ausnahmekandidat wäre, vor allem für die jüdische Gemeinschaft. Er hat immer wieder bewiesen, dass er ein großer Freund Israels ist. Allein die Spenden aus seinem persönlichen Vermögen an verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen zeigen das«, erklärte Stan Steinreich. Er ist Präsident einer Public-Relations-Firma in New Jersey, die auch ein Büro in Israel betreibt.

GAza-Krieg Während des Gaza-Krieges 2014 sorgte Bloomberg für Aufsehen, als er an Bord einer EL-AL-Maschine nach Tel Aviv flog, obwohl die amerikanische Luftfahrtbehörde Flüge nach Israel verboten hatte. Das Verbot wurde ausgesprochen, nachdem eine Hamas-Rakete nahe dem Ben-Gurion-Flughafen eingeschlagen war. »Heute Abend werde ich mit EL AL nach Tel Aviv fliegen, um zu zeigen, dass es sicher ist«, sagte Bloomberg damals. »Die Flugverbote sind ein Fehler und erklären die Hamas unverdientermaßen zum Sieger; sie sollten sofort aufgehoben werden.«

Bloomberg spendete große Summen an die israelische Rettungsorganisation Magen David Adom, deren Jerusalemer Zentrale nach seinem Vater William H. Bloomberg benannt ist. 2014 war Bloomberg der erste Empfänger des israelischen Genesis-Preises, eine Auszeichnung für Personen, die Vorbild und Inspiration für die kommende Generation von Juden auf der ganzen Welt sein können.

Auch früher schon hatte Bloomberg in Erwägung gezogen, sich für das Präsidentenamt zu bewerben, kam aber immer zu dem Schluss, die Hürden als Kandidat außerhalb der beiden großen Parteien seien zu hoch. Was Bloomberg laut der New York Times in diesem Jahr »maßlos ärgerte« und zu seinem Schritt bewog, sei die Dominanz Trumps im Kandidatenfeld der Republikanischen Partei. Daneben sei er »äußerst beunruhigt« angesichts der vielen Fehlschritte von Hillary Clinton und des Aufstiegs von Bernie Sanders aufseiten der Demokraten. Die Kombination all dieser Umstände habe Bloomberg dazu gebracht, 2016 eine Kandidatur als Unabhängiger ernsthaft ins Auge zu fassen.

kandidatur
Wie die New York Times weiter berichtete, äußerten Bloomberg-Berater, er sei bereit, mindestens eine Milliarde Dollar seines persönlichen Vermögens für den Wahlkampf auszugeben. Er werde voraussichtlich Anfang März seine endgültige Entscheidung über eine Kandidatur bekanntgeben.

In dem Rennen um die Präsidentschaft, das sich bis jetzt allem Gewohnten widersetzt, werde Bloomberg versuchen, Kapital zu schlagen aus der einzigartigen Kombination von unternehmerischer Erfahrung und Regierungserfahrung – etwas, das andere Kandidaten nur bruchstückhaft aufweisen können.

»So betrachtet, würde seine Kandidatur Elemente hereinbringen, die ihn herausheben aus der Gruppe der Leute, die gegenwärtig in den Umfragen vorn liegen«, sagt Stan Steinreich. »Es kann zum Beispiel kein Zweifel daran bestehen, dass er über genauso viel Geschäftssinn wie Donald Trump verfügt und gleichzeitig eine ebenso liberale Politik vertritt wie Bernie Sanders.«

Vermögen Bloomberg ist einer der reichsten Männer der Welt. Forbes schätzt sein persönliches Vermögen auf 36 Milliarden Dollar; nach anderen Schätzungen könnten es sogar 48,8 Milliarden Dollar sein. Das sind deutlich mehr als die 4,5 Milliarden Dollar, die laut Forbes Donald Trumps Nettovermögen ausmachen.

»Ich würde es gern sehen, wenn Michael kandidiert«, sagte Trump dem Fernsehsender CNN. »Wir waren einmal Freunde. Ich glaube, wir sind keine Freunde mehr. Nein, wir sind nicht mehr befreundet.«

Anders als Trump, der von seinem Vater ein beträchtliches Immobilienvermögen erbte, baute Bloomberg seine Firma Bloomberg L.P. – ein Finanzdienstleistungs-, Technologie- und Medien-Imperium – aus dem Nichts auf. Die Entwicklung seines eigenen internen computerisierten Finanzsystems, das zu einem unentbehrlichen Instrument für Finanzexperten werden sollte, bildete das Fundament.

Trotz seiner Gewieftheit im Geschäftlichen vertritt Bloomberg im gesellschaftlichen Bereich liberale und progressive Positionen, was 2007 dazu führte, dass er die Republikanische Partei verließ und als Unabhängiger weitermachte. Bloomberg hatte Zeit seines Lebens der Demokratischen Partei angehört, bevor er 2001 zu den Republikanern wechselte und sich in New York für das Bürgermeisteramt bewarb. Zu seinen fortschrittlichen politischen Überzeugungen gehören die Forderung nach strengeren Kriterien für den Besitz von Schusswaffen und das Recht von Frauen, sich für eine Abtreibung zu entscheiden. Er unterstützte 2012 die Wiederwahl von Barack Obama, vor allem wegen dessen Bestreben, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu forcieren.

11. september Viele New Yorker waren voll des Lobes über Bloomberg, der in seinen zwölf Jahren als Bürgermeister die Stadt sauberer, sicherer und wohlhabender machte, vor allem im Gefolge der Anschläge vom 11. September 2001 und der Finanzkrise im Jahr 2008. Andere kritisierten ihn für seinen Politikstil der direkten Einmischung in die Angelegenheiten der Bürger. Dazu gehörten verschärfte Polizeikontrollen (»stop and frisk«), die Forcierung eines Verbots stark zuckerhaltiger Limonaden in übergroßen Bechern bei öffentlichen Veranstaltungen sowie das Rauchverbot auf öffentlichen Plätzen. Einige gingen so weit und nannten die von Bloomberg geführte Stadt New York einen »nanny state«, einen Bevormundungsstaat. Heftig umstritten war auch sein Einsatz für eine Verlängerung der Amtszeit des Bürgermeisters, um sich eine dritte Amtszeit zu sichern.

»Obwohl ich mit Bloomberg nicht in allen Fragen übereinstimme, glaube ich, dass er in unserem Land eine wichtige Stimme ist. Es wäre gut für die nationale Debatte, wenn er in den Ring steigen würde«, sagte Seth Lipsky, Herausgeber von zwei Zeitungen, der »New York Sun« und der englischsprachigen Ausgabe des jiddischen »Forwerts«. (Die New York Sun hat sich im derzeitigen Wahlkampf für keinen der Kandidaten ausgesprochen, auch nicht für Bloombergs Kandidatur.)

»Das wäre schon etwas, wenn ein jüdischer Amerikaner ganz oben auf dem Stimmzettel stünde – von zwei jüdischen Amerikanern ganz zu schweigen«, so Lipsky in Bezug auf Bloomberg und Bernie Sanders. Bloomberg, sagte er, »hat sich immer für Israel starkgemacht. Der jüdische Aspekt ist interessant, aber kein vorrangiges Thema.«

Während Bloombergs Jüdischsein und seine Unterstützung für Israel innerhalb der jüdischen und pro-israelischen Communitys für ihn sprechen, sind viele der anderen führenden Kandidaten ebenso glaubwürdig pro-israelisch und wissen jüdische Unterstützer hinter sich.

Stolz »Als Gemeinschaft sind wir Juden immer voller Begeisterung und Stolz, wenn einer von uns beschließt zu kandidieren. Wir sind stolz, dass Michael Bloomberg den Job als Bürgermeister von New York so gut gemacht hat«, so Steinreich. »Doch andere Bewerber stoßen auf genauso viel Begeisterung in der jüdischen Gemeinschaft. Alle führenden Kandidaten haben ihre jüdischen Befürworter: Hillary Clinton, Donald Trump, Jeb Bush, Ted Cruz, Marco Rubio und Chris Christie.«

Nichtsdestoweniger ist es eine gewaltige Herausforderung, sollte sich Bloomberg dazu entscheiden, als Eigenständiger ohne die Unterstützung der beiden Mainstream-Parteien zu kandidieren. Seit den Präsidentschaftswahlen von 1856, als sich die moderne Republikanische Partei als Hauptkonkurrent der Demokraten herausbildete, hat kein unabhängiger Kandidat oder Kandidat einer dritten Partei je eine Wahl gewonnen. Das betrifft auch den weithin beliebten Präsidenten Theodore »Teddy« Roosevelt, der sich 1912, nachdem er die Republikanische Partei verlassen hatte, als Unabhängiger bewarb, die Wahl aber letztendlich zugunsten des Demokraten Woodrow Wilson verlor.

»Die Euphorie ist wunderbar, aber um die Wahl zu gewinnen, müssen viele praktische Hürden überwunden werden. Es ist noch ein langer Weg bis zur Abstimmung am 8. November«, sagt Steinreich und fügt hinzu: »Selbst wenn man von Michael Bloombergs finanziellen Ressourcen absieht – man muss eine Organisation aufbauen und die vielen Unterschriften auf die Stimmzettel bekommen. Es gibt Stolpersteine, die unabhängig sind von der Popularität und der Begeisterung der Leute für einen Kandidaten.« (JNS)

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