Nelson Mandela ist tot. Der Anti-Apartheid-Kämpfer und frühere südafrikanische Präsident starb am Donnerstagabend in Johannesburg im Alter von 95 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. »Er hatte immer eine enge Beziehung zu den Juden des Landes«, sagt Mervyn Smith, der Vorsitzende des Afrikanischen Jüdischen Kongresses.
»Während seines Gerichtsprozesses von 1956 bis 1961 und auch danach wurde er von mehreren jüdischen Anwälten verteidigt. Und nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis traf er sich häufig mit der Führung der jüdischen Gemeinschaft.« Er habe viele südafrikanische Juden zu seinen Freunden gezählt. »Die jüdische Gemeinde hat ihn bewundert und verehrt.«
Jüdische Erinnerungen an Nelson Mandela lautet der Titel eines Buches, welches das South African Jewish Board of Deputies (SAJBD) vergangenes Jahr herausgebracht hat. Damals und auch heute, nach dem Tod der Anti-Apartheid-Ikone, will das Board an Mandela und seine enge Bindung zur jüdischen Gemeinde in Südafrika erinnern. Die Freiheitsaktivistin Helen Suzman und Minister Joe Slovo waren nur zwei der vielen Juden, die Mandela auf seinem Lebensweg begleiteten.
Anwalt Um vor einer arrangierten Hochzeit zu fliehen, war Mandela 1941 vom Land in die Großstadt Johannesburg gezogen. Hier lernte er seinen späteren Parteikollegen und Mitstreiter Walter Sisulu kennen. Sisulu stellte Mandela einem jüdischen Anwalt vor, in dessen Kanzlei »Witkin, Sidelsky and Eidelman« er seinen ersten Job als Rechtsanwalt fand.
»Nelson Mandela hatte eine sehr lange und enge Beziehung zur jüdischen Bevölkerung«, sagt auch Gavin Morris, der Direktor des Jüdischen Museums in Kapstadt. Er denkt mit Stolz daran zurück, wie Mandela im Jahr 2000 persönlich das Museum eröffnete. Zudem erinnert er daran, dass eine »unverhältnismäßig große Zahl« weißer Anti-Apartheid-Aktivisten jüdischer Herkunft war. Eine von ihnen war Helen Suzman, die sich als einzige Frau im Parlament für das Wahlrecht für Schwarze und für die Legalisierung des African National Congress (ANC) einsetzte.
Später sollte die Solidarität zwischen Juden und schwarzen Widerstandskämpfern schwer bestraft werden: In den frühen Morgenstunden des 1. Juli 1990 beschmierten Rechtsextremisten eine Synagoge in Johannesburg und bewarfen sie mit Sprengkörpern.
Nachbar 1990, in den letzten Monaten des Apartheid-Regimes, kam Nelson Mandela frei. Zwei Jahre später wurden Gesetze abgeschafft, die schwarze Südafrikaner aus den Städten verbannten. Umgehend zog Mandela nach Houghton, einen Vorort von Johannesburg, in dem viele Juden leben. Der jüdische Parlamentarier Tony Leon begrüßte seinen neuen Nachbarn mit einem Schokoladenkuchen.
Begegnungen mit der jüdischen Bevölkerung durchzogen Mandelas ganzes Leben. Einen Tag, nachdem Mandela 1994 zum Präsidenten gewählt worden war, besuchte er in Kapstadt einen Schabbatgottesdienst. Zwei Jahre später erhielt er einen Brief von Craig Joseph. Der jüdische Junge lud den Präsidenten zu seiner Barmizwa ein. Craigs Eltern schmunzelten über die Aktion – doch staunten sie, als der Präsident tatsächlich kam. »Die Magie, die den Raum erfüllte, war unbeschreiblich. Weder ich noch meine Familie konnten glauben, dass Nelson Mandela vor uns stand«, so Craig später.
Arafat Doch es gab auch Momente, in denen die Juden des Landes Mandela kritisierten: zum Beispiel, als er den Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Yassir Arafat, umarmte oder Israel als »Terrorstaat« bezeichnete. David Jacobson, der Direktor des SAJBD, machte darauf aufmerksam, dass die anti-israelische Lobby im Land dem früheren Präsidenten einige fragwürdige Zitate untergeschoben hat. »Die langen Beziehungen des ANC zur PLO sind verständlich angesichts der jahrzehntelangen Kameradschaft«, räumt Jacobson ein. Während Mandela den Kontakt zur PLO aufrechterhielt, habe er sich jedoch immer bemüht, der jüdischen Gemeinde Anerkennung und Schutz zukommen zu lassen.
In Erinnerung bleibt den Juden im Land Mandelas ideelles Wirken: Nach fast drei Jahrzehnten politischer Haft suchte der neue Präsident keine Rache, sondern Versöhnung. »Mandela war ein großer Konsensschaffer«, sagt Museumsdirektor Morris. »In unserem Haus lehren wir Schulklassen, dass alle Religionen denselben Kern haben, dieselbe moralische Basis und dieselben Werte. Mandela hat dies verstanden und die Ähnlichkeiten und gemeinsamen Beweggründe religiöser Gruppen immer betont.«