Polens nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat vergangene Woche das sogenannte Holocaust-Zensurgesetz abgemildert. Schoa-Überlebende und ihre Familien sowie Historiker und Journalisten müssen ab sofort nicht mehr fürchten, für ein falsches Wort hinter Gittern zu landen.
Allerdings drohen noch immer hohe Geldstrafen, sollte jemand »faktenwidrig dem Staat Polen oder dem polnischen Volk eine Mitverantwortung am Holocaust zuschreiben«. Die PiS will damit verhindern, dass öffentlich über polnische Judenverräter, sogenannte Schmalzowniks, oder andere Nazi-Kollaborateure diskutiert wird.
Wahrheit Das Zensurgesetz soll weltweit gelten und den »guten Ruf Polens« schützen. Über die jeweilige historische Wahrheit soll allerdings das Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) entscheiden, dessen Staatsanwälte der politischen Kontrolle des Justizministers unterworfen sind, der auch Generalstaatsanwalt ist.
Die am IPN beschäftigen Historiker stehen größtenteils der PiS nahe und stützen deren Geschichtsbild von den angeblich sechs Millionen ermordeten Polen, unter denen sich drei Millionen »jüdischer Herkunft« befanden. Vor einigen Jahren noch, als die liberale Bürgerplattform (PO) und die gemäßigte Bauerpartei PSL an der Regierung waren, belegte das Institut mit zwei umfangreichen Forschungsbänden, dass das Pogrom von Jedwabne im Juli 1941 von Polen verübt wurde.
Heute hingegen behauptet der von PiS-Politikern neu ernannte IPN-Direktor, dass das Pogrom auf das Konto der Deutschen gehe, so wie es bis 1989 die in Polen regierenden Kommunisten verbreiteten.
Folgen Unter der PiS-Regierung kann sich die »historische Wahrheit«, die nun durch ein Gesetz geschützt wird, von einem Tag auf den anderen ändern – mit zivilrechtlichen Folgen für jeden, der etwas anderes sagt oder schreibt, als es die neueste Wahrheitsversion gerade vorsieht.
Das erst vor einem halben Jahr von der PiS verabschiedete sogenannte Holocaust-Zensurgesetz wirkte kontraproduktiv. So verschlechterten sich die bilateralen Beziehungen Polens zu Israel und den USA dramatisch. Am Ende erarbeitete eine polnisch-israelische Arbeitsgruppe einen Kompromiss: Polen streicht die strafrechtliche Verfolgung aus dem Zensurgesetz, während Israel das Recht Polens auf den »Schutz seines guten Rufs« anerkennt und auch nichts gegen Geldstrafen in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro einzuwenden hat, die demnächst zivilrechtlich eingeklagt werden können.
Das Recht, Klage zu erheben, werden außer dem IPN alle Vereine, Stiftungen und anderen Institutionen haben, die in ihren Statuten die »Verteidigung des guten Rufs Polens« zu einem ihrer Ziele erklärt haben. Es kann also teuer werden, die von der PiS festgelegte aktuelle »Geschichtswahrheit« nicht zu kennen.