Ein bizarrer Skandal macht seit zwei Wochen die Runde in rumänischen und internationalen Medien: Mitte November wollte die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Viorica Dancila ihre Regierung umbilden, doch der bürgerliche Staatschef Klaus Johannis akzeptierte nur sechs der acht neuen Namen. Daraufhin warf ihm einer der abgelehnten Ministerkandidaten, der 35-jährige Ilan Laufer, Antisemitismus vor – und unterstellte ihm, Johannis’ ethnisch deutscher Hintergrund sei Teil seiner Motivation.
Der Präsident wies die Anschuldigungen als »unverantwortlich« zurück und attestierte Laufer »gravierende Erziehungsmängel und Kulturlücken«. Alexandru Florian, der Direktor des Nationalen Instituts für das Studium des Holocaust in Rumänien »Elie Wiesel«, stufte Laufers Vorwürfe als »politisch motiviert« ein. »Mehr ist nicht dran.«
Auch Aurel Vainer, der Vorsitzende des Dachverbands der Jüdischen Gemeinden Rumäniens (FCER), bestreitet »kategorisch«, dass die Geste des Präsidenten überhaupt etwas mit Antisemitismus zu tun haben könnte. »Antisemitismusvorwürfe dürfen nicht als Waffen in einem politischen Konflikt eingesetzt werden«, warnte Vainer. Die Zusammenarbeit zwischen dem FCER und dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (FDGR), an dessen Spitze Johannis jahrelang stand, sei exzellent.
IMMOBILIENFIRMEN Ilan Laufer hat sowohl die rumänische als auch die israelische Staatsangehörigkeit und war 2017 bereits einmal Minister für »Handel, Unternehmertum und Geschäftsumfeld«. In den vergangenen Tagen gab es in Rumänien eine Kontroverse darüber, wo er denn nun eigentlich geboren wurde. Manche Online-Medien geben Rischon LeZion als Geburtsort an, und die »Jerusalem Post« berichtete, Laufer sei als 14-Jähriger mit seiner Familie nach Rumänien ausgewandert. Um den Spekulationen ein Ende zu bereiten, postete Laufer seine Geburtsurkunde auf Facebook. Demnach wurde er 1983 in Bukarest geboren.
Die Beziehungen zwischen Johannis und der sozialdemokratischen Regierungspartei PSD haben im vergangenen Jahr einen Tiefpunkt erreicht.
In der rumänischen Hauptstadt studierte er Sportwissenschaft und gründete mehrere Immobilienfirmen. Öffentlich bekannt wurde Laufer, als er vor einigen Jahren bei den Verhandlungen um die Eröffnung der ersten Läden der Modemarken H&M und Zara in Rumänien eine wichtige Rolle spielte. Dies weckte das Interesse der populären Magazine, auf deren Seiten Laufer gerne auch mit nacktem Oberkörper posierte, und half dem Unternehmer offenbar auch bei seinem Einstieg in die Politik.
Vor zwei Wochen nun schlug ihn Ministerpräsidentin Dancila für das Amt des Ministers für regionale Entwicklung vor. In dieser Funktion hätte er die Milliardenbeträge aus den EU-Strukturfonds managen sollen – eine Aufgabe, die aus Sicht des Staatspräsidenten eine Nummer zu groß für Laufer ist.
TIEFPUNKT Die Beziehungen zwischen dem bürgerlich-liberalen Johannis und der sozialdemokratischen Regierungspartei PSD haben im vergangenen Jahr einen Tiefpunkt erreicht, weil der Staatspräsident den Justizreformen des Kabinetts sehr kritisch gegenübersteht. Diese dienten nur dem Zweck, den Kampf gegen die Korruption zu schwächen und die eigenen Korruptionsprobleme vieler Sozialdemokraten loszuwerden, argumentierte Johannis. In der Tat stehen zahlreiche rumänische Politiker, darunter auch führende PSD-Abgeordnete, unter Verdacht, Straftaten wie Amtsmissbrauch oder Bestechlichkeit begangen zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit in vielen Fällen, Dutzende frühere oder amtierende Minister, Abgeordnete und Bürgermeister wurden in den vergangenen Jahren angeklagt, manche sogar rechtskräftig verurteilt.
Vor diesem Hintergrund will sich Johannis wieder als Korruptionsbekämpfer profilieren und bei den Präsidentschaftswahlen im November 2019 erneut als Kandidat des bürgerlichen Lagers antreten. Dieser Strategie mangelt es nicht an Chuzpe, denn Johannis selbst kam durch die Fälschung eines Testaments in den Besitz mehrerer lukrativer Immobilien in seiner Geburtsstadt Sibiu (Hermannstadt). Doch im semipräsidialen politischen System Rumäniens, in dem der Staatspräsident direkt gewählt wird, einige wichtige exekutive Prärogative ausübt und volle Immunität genießt, wird ihm viel vergeben.