Rumänien

Der eingeschnappte Kandidat

Jungpolitiker Ilan Laufer wirft Präsident Johannis Antisemitismus vor, weil dieser ihm ein Ministeramt nicht zutraut

von Silviu Mihai  29.11.2018 09:00 Uhr

Unternehmer und Politiker: Ilan Laufer (35) Foto: dpa

Jungpolitiker Ilan Laufer wirft Präsident Johannis Antisemitismus vor, weil dieser ihm ein Ministeramt nicht zutraut

von Silviu Mihai  29.11.2018 09:00 Uhr

Ein bizarrer Skandal macht seit zwei Wochen die Runde in rumänischen und internationalen Medien: Mitte November wollte die sozialdemokratische Minister­präsidentin Viorica Dancila ihre Regierung umbilden, doch der bürgerliche Staatschef Klaus Johannis akzeptierte nur sechs der acht neuen Namen. Daraufhin warf ihm einer der abgelehnten Ministerkandidaten, der 35-jährige Ilan Laufer, Antisemitismus vor – und unterstellte ihm, Johannis’ ethnisch deutscher Hintergrund sei Teil seiner Motivation.

Der Präsident wies die Anschuldigungen als »unverantwortlich« zurück und attestierte Laufer »gravierende Erziehungsmängel und Kulturlücken«. Alexandru Florian, der Direktor des Nationalen Instituts für das Studium des Holocaust in Rumänien »Elie Wiesel«, stufte Laufers Vorwürfe als »politisch motiviert« ein. »Mehr ist nicht dran.«

Auch Aurel Vainer, der Vorsitzende des Dachverbands der Jüdischen Gemeinden Rumäniens (FCER), bestreitet »kategorisch«, dass die Geste des Präsidenten überhaupt etwas mit Antisemitismus zu tun haben könnte. »Antisemitismusvorwürfe dürfen nicht als Waffen in einem politischen Konflikt eingesetzt werden«, warnte Vainer. Die Zusammenarbeit zwischen dem FCER und dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (FDGR), an dessen Spitze Johannis jahrelang stand, sei exzellent.

IMMOBILIENFIRMEN Ilan Laufer hat sowohl die rumänische als auch die israelische Staatsangehörigkeit und war 2017 bereits einmal Minister für »Handel, Unternehmertum und Geschäftsumfeld«. In den vergangenen Tagen gab es in Rumänien eine Kontroverse darüber, wo er denn nun eigentlich geboren wurde. Manche Online-Medien geben Rischon LeZion als Geburtsort an, und die »Jerusalem Post« berichtete, Laufer sei als 14-Jähriger mit seiner Familie nach Rumänien ausgewandert. Um den Spekulationen ein Ende zu bereiten, postete Laufer seine Geburts­urkunde auf Facebook. Demnach wurde er 1983 in Bukarest geboren.

Die Beziehungen zwischen Johannis und der sozial­demokratischen Regierungspartei PSD ha­ben im vergangenen Jahr einen Tiefpunkt erreicht.

In der rumänischen Hauptstadt studierte er Sportwissenschaft und gründete mehrere Immobilienfirmen. Öffentlich bekannt wurde Laufer, als er vor einigen Jahren bei den Verhandlungen um die Eröffnung der ersten Läden der Modemarken H&M und Zara in Rumänien eine wichtige Rolle spielte. Dies weckte das Interesse der populären Magazine, auf deren Seiten Laufer gerne auch mit nacktem Oberkörper posierte, und half dem Unternehmer offenbar auch bei seinem Einstieg in die Politik.

Vor zwei Wochen nun schlug ihn Ministerpräsidentin Dancila für das Amt des Ministers für regionale Entwicklung vor. In dieser Funktion hätte er die Milliardenbeträge aus den EU-Strukturfonds managen sollen – eine Aufgabe, die aus Sicht des Staatspräsidenten eine Nummer zu groß für Laufer ist.

TIEFPUNKT Die Beziehungen zwischen dem bürgerlich-liberalen Johannis und der sozial­demokratischen Regierungspartei PSD ha­ben im vergangenen Jahr einen Tiefpunkt erreicht, weil der Staatspräsident den Justizreformen des Kabinetts sehr kritisch gegenübersteht. Diese dienten nur dem Zweck, den Kampf gegen die Korruption zu schwächen und die eigenen Korruptionsprobleme vieler Sozialdemokraten loszuwerden, argumentierte Johannis. In der Tat stehen zahlreiche rumänische Politiker, darunter auch führende PSD-Abgeordnete, unter Verdacht, Straftaten wie Amtsmissbrauch oder Bestechlichkeit begangen zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit in vielen Fällen, Dutzende frühere oder amtierende Minister, Abgeordnete und Bürgermeister wurden in den vergangenen Jahren angeklagt, manche sogar rechtskräftig verurteilt.

Vor diesem Hintergrund will sich Johannis wieder als Korruptionsbekämpfer profilieren und bei den Präsidentschaftswahlen im November 2019 erneut als Kandidat des bürgerlichen Lagers antreten. Dieser Strategie mangelt es nicht an Chuzpe, denn Johannis selbst kam durch die Fälschung eines Testaments in den Besitz mehrerer lukrativer Immobilien in seiner Geburtsstadt Sibiu (Hermannstadt). Doch im semipräsidialen poli­tischen System Rumäniens, in dem der Staatspräsident direkt gewählt wird, einige wichtige exekutive Prärogative ausübt und volle Immunität genießt, wird ihm viel vergeben.

Kalifornien

»Es ist okay, nicht okay zu sein«

Wie die jüdische Gemeinschaft in Los Angeles mit den verheerenden Bränden umgeht – ein Zeugenbericht

von Jessica Donath  13.01.2025

Essay

Ritt ins Verderben

Gedanken eines österreichischen Juden zu einer möglichen Kanzlerschaft des Rechtsextremisten Herbert Kickl

von Vladimir Vertlib  12.01.2025 Aktualisiert

Frankreich

Zuflucht vor Mobbing

Weil die Zahl antisemitischer Vorfälle dramatisch steigt, nehmen immer mehr jüdische Eltern ihre Kinder von öffentlichen Schulen und schicken sie auf private. Eine Erkundung in Paris

von Florian Kappelsberger  12.01.2025

Polen

Duda würde Netanjahu nicht verhaften lassen

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Kommt der israelische Ministerpräsident trotz eines Haftbefehls gegen ihn?

 09.01.2025

Kalifornien

Synagoge fällt Feuern von Los Angeles zum Opfer

Die riesigen Brände gefährden auch jüdische Einrichtungen

 08.01.2025

USA

Welcome to Jiddishland

Nirgendwo sprechen so viele Menschen Jiddisch wie in New York. Und es werden immer mehr. Die Mameloschen hat die Grenzen der chassidischen Communitys längst überschritten

von Jörn Pissowotzki  08.01.2025

Social Media

Elon Musk hetzt wieder gegen George Soros

Der Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump bedient sich dabei erneut der Figur des Magneto aus dem Marvel-Universum

von Ralf Balke  08.01.2025

Interview

»Die FPÖ gilt als Prototyp des Rechtspopulismus«

Demokratieforscher Simon Franzmann über den Rechtsruck in Österreich

von Michael Grau und Daniel Behrendt  08.01.2025

Meinung

Der Neofaschist Herbert Kickl ist eine Gefahr für Österreich

In der FPÖ jagt ein antisemitischer »Einzelfall« den anderen, ihr Obmann will die liberale Demokratie abschaffen und könnte schon bald Kanzler sein

von Bini Guttmann  08.01.2025