Es hat sich immer so ergeben im Leben des Hans Menasse, man kann auch sagen: Der frühere österreichische Fußballnationalspieler und Vater der Schriftsteller Robert und Eva Menasse hat jeweils das Beste aus den teils schlimmen Situationen gemacht.
Dass ein kleiner jüdischer Junge, geboren 1930 in ein säkulares Wiener Elternhaus, Fußballer werden wollte, mag vielleicht noch wenig überraschend sein. Und auch, dass der Vater, ein Fan der Wiener »Vienna«, ihn einmal mit ins Stadion nahm, damit der Kleine den vom Vater verehrten Nationalspieler Karl Rainer sehen konnte, passt ins Bild einer behüteten Kindheit. Doch das Jahr 1938 kam, Österreich schloss sich NS-Deutschland an, »und dann, eines Tages, ist der Rainer plötzlich vor unserer Tür gestanden und hat unsere Wohnung arisiert«, erzählte Menasse einmal.
Der vom Vater bewunderte Fußballer erwies sich als ordinärer Arisierungsprofiteur. Die Familie zog zur Großmutter. Sie wurde später nach Theresienstadt deportiert und kam dort ums Leben.
Kindertransport Weil Hans Menasses Mutter katholisch war, wurde der Vater »nur« zur Zwangsarbeit verpflichtet, und Hans konnte gemeinsam mit seinem älteren Bruder Kurt mit den Kindertransporten nach England geschickt werden.
»In Wien, mit acht Jahren, war ich ein lebhaftes, fröhliches Kind. Aber dort? Ich bin auf einmal schüchtern geworden. Ich hab’ angefangen, Nägel zu beißen, bin leicht rot geworden, ich hab’ gestottert ein bisserl, war introvertiert.«
Aber der kleine Hans lernte perfekt Englisch, Deutsch verlernte er beinah, und er lernte Fußball – und wie! Als 16-Jähriger kam er zu Luton Town, einen Profi-Klub, dessen Fan er war. »Ich hatte vier oder fünf Spiele mit den Luton Town Colts, bei den Fohlen, das war ihr Jugendteam.« Jahre später schickte Menasse Luton Town eine E-Mail und erzählte seine Geschichte. Er wurde prompt zu einem Heimspiel eingeladen.
Im Winter 1945 hatten sich die Eltern bei ihm gemeldet, zurück nach Wien konnte er erst im Frühjahr 1947.
Im Winter 1945 hatten sich die Eltern bei ihm gemeldet, zurück nach Wien konnte er erst im Frühjahr 1947. Später meldete sich sogar Arsenal London bei ihm, aber da musste Hans absagen. Er war bereits in Wien. 1950 debütierte er in der ersten Mannschaft der Vienna und schoss gleich acht Tore in der ersten Saison – bei nur neun Einsätzen. 1953 wurde er Nationalspieler, 1954/55 österreichischer Meister. Wegen einer Gelbsucht-Erkrankung verpasste er die WM 1954. Seine Liebe war die Vienna nie gewesen, das war immer »Austria Wien«, und tatsächlich konnte er 1959 noch eine Saison bei seinem Lieblingsklub spielen.
BERUF Der Vater drängte ihn, einen »ordentlichen Beruf« zu ergreifen: Dreher bei Siemens hatte er sich vorgestellt. Doch der jüdische Hausmeister fand die Idee nicht gut: »Hören’s, Herr Menasse, wann hat es je einen jüdischen Dreher gegeben?«, erinnerte er den Vater daran, dass sein Sohn perfektes Englisch sprach. Gerade habe doch ein englischer Filmverleih in Wien begonnen, da gebe es doch gewiss etwas für Hans.
Gab es sehr wohl. Und so wurde Hans Menasse bald als Pressebetreuer für internationale Filmfirmen in Österreich unersetzlich. Für Stars wie Alfred Hitchcock, Sophia Loren oder Charlton Heston organisierte er die PR. Und als ein völlig unbekannter Regisseur, der in seiner Heimat als Wunderkind galt, nach Wien kam, mühte sich Hans Menasse ab, damit der eigenwillige Kerl wenigstens ein paar Interviews geben konnte. Es war Steven Spielberg.
Und was wurde aus Karl Rainer, dem Idol der Kindheit, das die Gunst der Stunde genutzt hatte, um sich die Wohnung der Familie Menasse unter den Nagel zu reißen? »Bei dem klopfte mein Bruder in englischer Uniform, in Begleitung unseres Vaters, an. Dem Rainer schlief das Gesicht ein, und er wurde kreidebleich beim Anblick der beiden. Mein Bruder meinte nur verächtlich: ›Keine Angst, wir wollten uns nur noch einmal die Wohnung anschauen.‹«
Am 28. Februar ist Hans Menasse wenige Tage vor seinem 92. Geburtstag in Wien gestorben.