Soziologe, Philosoph, Diplomat, Abgeordneter und nun der neue Präsident Guatemalas: Wenn Bernardo Arévalo am Sonntag das höchste Staatsamt übernimmt, kann er auf umfangreiche Erfahrungen zurückgreifen. Dennoch haben konservative Kräfte bis zuletzt versucht, den Amtsantritt des 65-Jährigen zu verhindern. Doch die Basis des Antikorruptionskämpfers, der sich als Sozialdemokrat versteht, und der internationale Druck waren stärker.
Geboren 1958 in Uruguay, lebte er zunächst in der venezolanischen Hauptstadt Caracas, in Mexiko-Stadt und Santiago de Chile. Die Umzüge waren nicht freiwillig. Arévalos Vater Juan José war der erste demokratisch gewählte Präsident Guatemalas (1945 bis 1951) und musste seine Heimat nach einem Putsch 1954 verlassen. Erst mit 15 Jahren kam der junge Bernardo in das mittelamerikanische Land, aus dem seine Eltern stammen. Später studierte er in Tel Aviv und Utrecht, um dann verschiedene diplomatische Aufgaben zu übernehmen, so als Konsul in Israel und Botschafter in Spanien.
2015 schloss sich Arévalo den Protesten gegen die kriminellen Machenschaften von Unternehmern, Militärs und der politischen Elite an. Es war die Zeit des »guatemaltekischen Frühlings«. Die UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (Cicig) deckte zahlreiche Korruptionsfälle auf. Präsident Otto Pérez Molina musste nach monatelangen Demonstrationen zurücktreten.
Mit einigen Mitstreitern gründete er »Movimiento Semilla«, die Samenkornbewegung
Arévalo war mittendrin. Mit einigen Mitstreitern gründete er »Movimiento Semilla«, die Samenkornbewegung, die sich zwei Jahre später als Partei konstituierte. 2019 sollte der Linkspolitiker als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gehen, machte dann aber einen Rückzieher. Die Verhältnisse hatten sich geändert: Konservative Kräfte sorgten dafür, dass die an seiner Stelle nominierte Thelma Aldana als Kandidatin abgewiesen und die UN-Kommission des Landes verwiesen wurde.
Im Juni 2023 schaffte es Arévalo völlig unerwartet als Zweitplatzierter in die Stichwahl, die er im August gewann. Die Konservativen hatten alles daran gesetzt, seinen Sieg zu verhindern - mit tatkräftiger Unterstützung hochrangiger Staatsanwälte und Richter. Doch alle juristischen Manöver scheiterten am Widerstand seiner Anhänger sowie internationalem Druck. So auch der letzte Versuch der Generalstaatsanwaltschaft im Dezember, die Wahl für ungültig zu erklären.
Dennoch weiß Arévalo, dass seine Gegner keine Ruhe geben werden. Im Parlament sind sie in der Mehrheit, und viele Beamte im Justizapparat, davon ist er überzeugt, »sind nur durch Bestechung ins Amt gekommen«. Trotzdem gibt er sich optimistisch: »Dieser Sieg ist ein Sieg des Volkes, und als Volk werden wir gegen die Korruption kämpfen.« epd