Zum Jahrestag des gescheiterten Aufstands jüdischer Untergrundkämpfer im Warschauer Ghetto 1943 ist am Montag ein Denkmal enthüllt worden, das an das Ringelblum-Archiv erinnert – eine Sammlung von Dokumenten aus dem jüdischen Ghetto in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die in der Erde vergaben wurde.
ONEG SCHABBAT Das Mahnmal besteht aus einem gläsernen Würfel, in dessen Innern sich ein handgeschriebenes Testament befindet. Es wurde 1942 von dem 19-jährigen Dawid Graber verfasst. Darin steht der Satz: »Was wir durch unser Schreien und Weinen nicht weitergeben konnten, haben wir im Untergrund versteckt.«
Die Dokumente wurden heimlich von einer Gruppe namens »Oyneg Shabes« (die deutsche Übersetzung des jiddischen Begrifffs lautet »Freude am Schabbat«) unter Leitung des Historikers Emanuel Ringelblum gesammelt und unter anderem in Milchkannen und wasserdichten Kisten im Erdreich vergraben.
So gelang es, rund 25.000 Dokumente vor dem Zugriff der Nazis zu verstecken. Das Archiv enthält neben Statistiken über die Opfer auch Zeugnisse derer, die die Schrecken miterlebt haben. Es gibt darüber hinaus Einblick in Alltagsleben der Menschen im Ghetto. So sind Arztrezepte, Theaterprogramme und Bonbonverpackungen enthalten.
Der 2013 verstorbene Publizist Marcel Reich-Ranicki war zeitweise ebenfalls Mitarbeiter Ringelblums. Der Historiker überlebte den Zweiten Weltkrieg nicht: Er wurde im März 1944 samt seiner Frau und seinem Sohn von deutschen Besatzern erschossen.
WELTERBE Nach dem Krieg entdeckten die wenigen überlebenden Mitglieder von Oyneg Shabes Teile des Archivs unter den Trümmern eines Hauses entdeckt. 1950 wurden weitere Dokumente ausgegraben. Ohne das Archiv hätte die Geschichte des jüdischen Ghettos nicht dokumentiert werden können, erklärte der Leiter des Vereins des Jüdischen Historischen Instituts, Piotr Wislicki.
Das Ringelblum-Archiv ist heute im Jüdischen Historischen Institut in Warschau aufbewahrt. 1999 nahm die UNESCO es in ihr Weltdokumentenerbe auf. Mittlerweile sind alle Dokumente in digitaler Form verfügbar.
Das Warschauer Ghetto war von den Deutschen kurz nach ihrem Einmarsch in Polen 1939 errichtet worden. Fast eine halbe Millionen Menschen waren dort eingeschlossen – nur wenige überlebten die schlimmen Zustände im Ghetto selbst oder die Deportationen in die Todeslager. mth