Serbien

Denkanstoß

Eine Konferenz in Belgrad soll die Erinnerung an die Schoa fördern

von Dirk Auer  14.05.2012 08:34 Uhr

Ehemaliges KZ Staro Sajmiste Foto: cc

Eine Konferenz in Belgrad soll die Erinnerung an die Schoa fördern

von Dirk Auer  14.05.2012 08:34 Uhr

Am 10. Mai 1942 meldete die Belgrader Gestapozentrale nach Berlin: »Serbien ist judenfrei«. Genau 70 Jahre später diskutieren am selben Ort in- und ausländische Historiker, Vertreter von Gedenkstätten und der jüdischen Gemeinde über eine künftige Holocaust-Gedenkstätte in Serbien. Organisiert hat die zweitägige Konferenz das Belgrader Büro der Heinrich-Böll-Stiftung. Der Titel: »Wenn nicht jetzt, wann …?«

Messegelände Zwei Kilometer vom Konferenzort entfernt, auf dem alten Messegelände Staro Sajmiste am Save-Ufer, hatte die deutsche Wehrmacht 7.000 serbisch-jüdische Frauen und Kinder aus Belgrad interniert und ermordet. Der amerikanische Holocaustforscher Christopher Browning betonte, dass hier manches zum ersten Mal geschah: Hier ermordeten die Nazis erstmals systematisch mit Gaswagen. Und es war eines der ersten KZs, das speziell für die Internierung von Juden errichtet wurde. Erst ab 1942 diente es als »Durchgangslager« für Serben, die als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert werden sollten.

Der Holocaust in Serbien war ein »Auftakt für den Rest«, so Browning. Bereits Monate vor der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 sei mit dem systematischen Massenmord begonnen worden. Eine zukünftige Gedenkstätte in Staro Sajmiste sei also ein wichtiger Beitrag auch für die gesamteuropäische Erinnerung an die Schoa.

Vergessen Aufgrund der Bedeutung ist es auf den ersten Blick unverständlich, warum über die Jahrzehnte nach 1945 bislang als Geschichte des Vergessens erzählt werden muss. Viele der erhaltenen Gebäude sind bewohnt, aber verfallen, andere befinden sich in Privatbesitz oder werden kommerziell genutzt. Im Jahr 2002 wohnten 2.250 Menschen auf dem Gelände des ehemaligen KZ mitten in Belgrad.

Um Erklärungen bemüht, wurde auf der Konferenz die jugoslawische Erinnerungspolitik immer wieder als »instrumentalisiert« beschrieben. Zwar sei bereits früh des jüdischen Leidens gedacht worden, jedoch ausschließlich im Kontext des heroischen Partisanenkampfes. Unter Staatschef Milosevic wurde dann das kroatische KZ Jasenovac zum zentralen Erinnerungsort für die Leiden aller Serben im damaligen faschistischen »Unabhängigen Staat Kroatien«.

Über die nun nötigen Schritte herrschte auf der Konferenz weitgehend Einigkeit: Die erhaltenen Gebäude müssten vor dem Verfall gerettet und später in die künftige Gedenkstätte integriert werden.

Gegen Ende der Konferenz wies der 93 Jahre alte Alexander Mosic, ein Aktivist der ersten Stunde, darauf hin, dass es vor gut zehn Jahren schon einmal eine vergleichbare Konferenz gab. Man habe sich gut verstanden, Hände geschüttelt, doch geschehen sei nichts.

Gedenkstätte Dass von der neuen Konferenz ein neuer Anstoß ausgehen möge, hoffen lokale Historiker und Vertreter der jüdischen Gemeinde, die sich schon seit Jahren für ein derartiges Projekt einsetzen. Einzelne Teilnehmer äußerten sich vorsichtig optimistisch. Vor einem Jahr hat das Institut für die Bewahrung des Kulturerbes der Stadt Belgrad eine umfassende Studie über die mögliche Nutzung von Staro Sajmiste als Gedenkstätte erarbeitet. Und seit Anfang des Jahres besteht eine Arbeitsgruppe auf städtischer Ebene.

Das alles muss noch nicht viel heißen in einem Land, in dem die Mühlen langsam mahlen und es bislang immer andere Prioritäten gab. Doch weitere Konferenzen werden nun nicht mehr nötig sein. Die historischen Fakten sind bekannt, verschiedene Vorschläge für die Nutzung des Geländes liegen auf dem Tisch. Nun ist es an der Politik, zu entscheiden und die Dinge voranzubringen.

Gerichtsurteil

Haftstrafen für Gewalt gegen Israelis in Amsterdam

In digitalen Chat-Gruppen war der Anklage zufolge zu einer »Jagd auf Juden« aufgerufen worden

 24.12.2024

Kanada

Jüdische Mädchenschule in Toronto zum dritten Mal beschossen

Auch im vermeintlich sicheren Kanada haben die antisemitischen Angriffe extrem zugenommen - und richten sich sogar gegen Kinder

 23.12.2024

Bulgarien

Kurzer Prozess in Sofia

Der jüdische Abgeordnete Daniel Lorer wurde von seiner Partei ausgeschlossen, weil er nicht zusammen mit Rechtsextremisten stimmen wollte

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Großbritannien

Gerechtigkeit und jüdische Werte

Sarah Sackman wurde als frisch gewählte Abgeordnete zur Justiz-Staatsministerin ernannt

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  23.12.2024

Spanien

Tod in den Bergen

Isak Andic, Gründer der Modekette Mango und Spross einer sefardischen Familie aus der Türkei, kam bei einem Familienausflug ums Leben

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Australien

»Juden raus«-Rufe vor Parlament in Melbourne

Rechtsextremisten haben vor dem Regionalparlament in Melbourne antisemitische Parolen skandiert

 23.12.2024

Guatemala

Rund 160 Kinder vor ultraorthodoxer Sekte gerettet

Laut Behördenangaben wurden auf dem Gelände von »Lev Tahor« mutmaßliche sterbliche Überreste eines Kindes gefunden

 22.12.2024

Analyse

Putins antisemitische Fantasien

Der russische Präsident ist enttäuscht von der jüdischen Diaspora im Westen und von Israel

von Alexander Friedman  22.12.2024

Diplomatie

Israel und Irland: Das Tischtuch ist zerschnitten

Politiker beider Länder überhäufen sich mit Vorwürfen. Wie konnte es so weit kommen?

von Michael Thaidigsmann  18.12.2024