Am 10. Mai 1942 meldete die Belgrader Gestapozentrale nach Berlin: »Serbien ist judenfrei«. Genau 70 Jahre später diskutieren am selben Ort in- und ausländische Historiker, Vertreter von Gedenkstätten und der jüdischen Gemeinde über eine künftige Holocaust-Gedenkstätte in Serbien. Organisiert hat die zweitägige Konferenz das Belgrader Büro der Heinrich-Böll-Stiftung. Der Titel: »Wenn nicht jetzt, wann …?«
Messegelände Zwei Kilometer vom Konferenzort entfernt, auf dem alten Messegelände Staro Sajmiste am Save-Ufer, hatte die deutsche Wehrmacht 7.000 serbisch-jüdische Frauen und Kinder aus Belgrad interniert und ermordet. Der amerikanische Holocaustforscher Christopher Browning betonte, dass hier manches zum ersten Mal geschah: Hier ermordeten die Nazis erstmals systematisch mit Gaswagen. Und es war eines der ersten KZs, das speziell für die Internierung von Juden errichtet wurde. Erst ab 1942 diente es als »Durchgangslager« für Serben, die als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert werden sollten.
Der Holocaust in Serbien war ein »Auftakt für den Rest«, so Browning. Bereits Monate vor der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 sei mit dem systematischen Massenmord begonnen worden. Eine zukünftige Gedenkstätte in Staro Sajmiste sei also ein wichtiger Beitrag auch für die gesamteuropäische Erinnerung an die Schoa.
Vergessen Aufgrund der Bedeutung ist es auf den ersten Blick unverständlich, warum über die Jahrzehnte nach 1945 bislang als Geschichte des Vergessens erzählt werden muss. Viele der erhaltenen Gebäude sind bewohnt, aber verfallen, andere befinden sich in Privatbesitz oder werden kommerziell genutzt. Im Jahr 2002 wohnten 2.250 Menschen auf dem Gelände des ehemaligen KZ mitten in Belgrad.
Um Erklärungen bemüht, wurde auf der Konferenz die jugoslawische Erinnerungspolitik immer wieder als »instrumentalisiert« beschrieben. Zwar sei bereits früh des jüdischen Leidens gedacht worden, jedoch ausschließlich im Kontext des heroischen Partisanenkampfes. Unter Staatschef Milosevic wurde dann das kroatische KZ Jasenovac zum zentralen Erinnerungsort für die Leiden aller Serben im damaligen faschistischen »Unabhängigen Staat Kroatien«.
Über die nun nötigen Schritte herrschte auf der Konferenz weitgehend Einigkeit: Die erhaltenen Gebäude müssten vor dem Verfall gerettet und später in die künftige Gedenkstätte integriert werden.
Gegen Ende der Konferenz wies der 93 Jahre alte Alexander Mosic, ein Aktivist der ersten Stunde, darauf hin, dass es vor gut zehn Jahren schon einmal eine vergleichbare Konferenz gab. Man habe sich gut verstanden, Hände geschüttelt, doch geschehen sei nichts.
Gedenkstätte Dass von der neuen Konferenz ein neuer Anstoß ausgehen möge, hoffen lokale Historiker und Vertreter der jüdischen Gemeinde, die sich schon seit Jahren für ein derartiges Projekt einsetzen. Einzelne Teilnehmer äußerten sich vorsichtig optimistisch. Vor einem Jahr hat das Institut für die Bewahrung des Kulturerbes der Stadt Belgrad eine umfassende Studie über die mögliche Nutzung von Staro Sajmiste als Gedenkstätte erarbeitet. Und seit Anfang des Jahres besteht eine Arbeitsgruppe auf städtischer Ebene.
Das alles muss noch nicht viel heißen in einem Land, in dem die Mühlen langsam mahlen und es bislang immer andere Prioritäten gab. Doch weitere Konferenzen werden nun nicht mehr nötig sein. Die historischen Fakten sind bekannt, verschiedene Vorschläge für die Nutzung des Geländes liegen auf dem Tisch. Nun ist es an der Politik, zu entscheiden und die Dinge voranzubringen.