»Wer weitergeht, wird erschossen!« Die Drohung am Eingang zum Fort galt Tausenden, die im NS-»Auffanglager« Breendonk interniert wurden. Niemand weiß genau, wie viele durch die finstere Pforte traten; bei der Flucht vor den Alliierten verbrannten Nazischergen alle Dokumente. Das nun erstmals erstellte Gedenkbuch ist ein Versuch, den Opfern Namen und Würde zurückzugeben.
Flandern Fort Breendonk, eine massige Burg an der A 12 zwischen Brüssel und Antwerpen, ist seit 1947 Nationale Gedenkstätte. Äußerlich hat sich wenig verändert, seit Jean Améry, wohl bekanntester Insasse und Folteropfer, schrieb: »Wie sie da liegt unter dem ewig regengrauen Himmel Flanderns, mit ihren grasüberwachsenen Kuppen und schwarzgrauen Mauern, mutet sie an wie eine melancholische Gravüre aus dem Siebzigerkrieg«.
Doch romantisch-historisierende Bilder sind augenblicklich gelöscht, betritt man das Ensemble aus Wachtürmen, Stacheldrahtzaun und düsteren Kellergewölben. Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Belgien im Mai 1940 hatte König Leopold hier ganze 18 Tage sein Hauptquartier. Im September rückte die SS mit Folterknechten und ersten Gefangenen ein. Das Fort wurde zum Symbol für die Nazi-Schreckensherrschaft in Belgien.
Gefangen im KZ Breendonk waren neben den Politischen zunächst vor allem belgische und nach Belgien geflohene Juden. Ab 1942 wurde der Anteil jüdischer Insassen wegen der Deportation in die Vernichtungslager stetig geringer. Die Todesrate unter den Verbliebenen stieg dramatisch. Wer überlebte, war auf immer gezeichnet.
Namen Den Überlebenden und den Toten von Breendonk ist das Gedenkbuch gewidmet, das demnächst im Brüsseler Senat vorgestellt wird. Es führt 3591 namentlich bekannte Personen auf. Eine Forschergruppe um Kurator Olivier Van der Wilt hat dafür knapp 5500 Dossiers der belgischen Generaldirektion der Kriegsopfer konsultiert und zahllose Archive sowie die Akten der Prozesse gegen die Henker im Jahr 1946 ausgewertet. Auf Französisch und Niederländisch sind nüchtern verzeichnet: Name, Geburtsdatum und -ort, Wohnort, Grund der Internierung, Datum von Zugang und »Abgang«, Häftlingsnummer, Zielort nach Verlassen des Forts.
Durch Hinweise von Lesern und Besuchern der Gedenkstätte, hofft Van der Wilt, kann das Gedenkbuch fortgeschrieben werden. Lückenlose Erkenntnis über die Opfer von Breendonk ist anhand der Archive allein nicht möglich.
Breendonk Memorial (Hrsg.): »Auffanglager Breendonk 1940–1944«. De gevangenen van Breendonk. Gedenkboek – Les prisonniers de Breendonk. Livre-Memorial 2012, 228 S., 25 €
Bestellungen unter gedenkboek@breendonk.be oder Telefon 0032/3/ 8607525