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Den Hass überwinden

Ben Lesser Foto: Zachor Remembrance Foundation

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Den Hass überwinden

Mit einer eigenen Stiftung versucht der Holocaust-Überlebende Ben Lesser amerikanischen Schülern die Schoa zu vermitteln

von Jessica Donath  15.10.2020 10:30 Uhr

Ben Lesser hat in seinem langen Leben viel Hass ertragen müssen. Der 91-Jährige überlebte vier Konzentrationslager, zwei Todesmärsche und zwei Todeszüge während der Schoa. Verbittert ist der fünffache Urgroßvater dennoch nicht, er möchte jungen Menschen von dieser Zeit berichten, damit sie Lehren aus der Vergangenheit ziehen können.

Lesser kam 1947 nach New York. Dort arbeitete er jahrelang als Kraftfahrer, bevor er nach Los Angeles übersiedelte und eine erfolgreiche Karriere als Makler begann.

Teenager Seit vielen Jahren lebt er in Las Vegas. In Amerika, aber auch anderswo, spricht er mit Jugendlichen über sein Leben. Zu seinem Erschrecken stellte er fest, dass viele Schulen die Schoa nicht im Unterricht behandeln.

In den Vereinigten Staaten gibt es dazu keine einheitliche Regelung. Nur in 15 der 50 Bundesstaaten ist die Schoa verpflichtender Bestandteil des Lehrplans für weiterführende Schulen.

»Die Schuldirektoren meinten, die Geschichtsbücher seien zu teuer, und die Lehrer sagten, sie hätten nicht genug Zeit für dieses komplizierte Thema«, fasst Lesser die Gründe zusammen, die ihm genannt wurden.

Lehrplan Um Lehrern das Vermitteln des Holocaust zu erleichtern, entwickelte Lesser gemeinsam mit Pädagogen, Historikern und Steven Spielbergs Shoah Foundation einen Lehrplan, bestehend aus sieben Unterrichtseinheiten. Dies ist das neueste Angebot der von Lesser 2009 gegründeten Zachor Remembrance Foundation. Die gemeinnützige Stiftung widmet sich der Erinnerung an die Opfer der Schoa.

In den Lektionen wird Geschichte aus der Perspektive und am Beispiel Lessers vermittelt, von dessen Geburt 1928 in Krakau über seine Befreiung aus dem Konzentrationslager Dachau 1945 bis zur Emigration in die USA zwei Jahre später. In den ersten zwei Wochen nach dem Start der Internetseite hatten sich bereits 400 Interessierte registriert.

Ansatz David Gardner, Direktor der Xavier Academy, einer privaten Schule in Houston, Texas, an der 190 Schüler lernen, glaubt, dass dieser Ansatz besonders gut geeignet ist, Geschichte zu vermitteln.

»Viele Menschen denken immer noch, dass man Geschichte durch das Auswendiglernen von Fakten lernt«, sagt der Pä-dagoge. »Doch dem ist nicht so.« Es sei viel besser, wenn Schüler sich mit Menschen identifizieren könnten.

»Mithilfe dieses Konzeptes können wir uns in Ben Lessers Lage versetzen, als er zwölf, 18 oder 26 war«, so Gardner. Dies helfe auch Jugendlichen mit Migrationshintergrund, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen.

»Viele Kinder haben selbst Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Akzents«, erzählt der 51-Jährige.

Gardner betont, er stehe hinter den Zielen der Zachor Foundation – als Jude und als Amerikaner. »Wenn wir uns nicht an Geschichte erinnern, wenn wir nicht verstehen, warum etwas passiert ist, werden wir es zwangsläufig wiederholen«, befürchtet er.

Hologramm Besonders stolz sind die Mitarbeiter der Stiftung auf die Hologrammversion ihres Gründers, die über die Internetseite abrufbar ist. Schüler können das atmende und zwinkernde Bildnis eines sitzenden Ben Lesser fragen, was immer sie möchten.

Um den Algorithmus mit möglichen Antworten zu füttern, beantwortete Lesser innerhalb einer Woche 3000 Fragen über sein Leben und die Schoa. Dabei wurde er von mehreren Kameras gefilmt.

Es ist ein dezidiertes Anliegen des neuen Angebots, den schwierigen Stoff der Schoa nicht nur anschaulich und persönlich erfahrbar zu machen, sondern auch mit Erfahrungen der Jugendlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu verknüpfen.

»Hitler hat nicht mit Massenmord angefangen«, sagt Robyn Weber, Lessers Enkelin und Operations & Communications Director der Zachor Remembrance Foundation. Ihr Großvater verwende bei seinen öffentlichen Auftritten immer viel Zeit darauf, über Hass und die Vorstufen der Schoa zu reflektieren.

»Wenn wir den Schülern beibringen, dass alles mit Hass angefangen hat, sehen sie die Dinge in einem anderen Licht«, sagt Weber. Die Überwindung des Hasses hat sich Lesser zur Lebensaufgabe gemacht. Der neue Lehrplan ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg.

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