Forschung

Dem Verfall preisgegeben

Wer durch das Zentrum der litauischen Hauptstadt Vilnius spaziert, stößt auf unzählige jüdische Stätten. Durch die Gassen gelangt man schnell zur Jüdischen Straße oder dem Weg, der nach dem Gaon von Wilna benannt ist, eines Gelehrten des 18. Jahrhunderts. Es geht vorbei an Cafés, Geschäften und Restaurants. Vor der Schoa lebten hier Juden, in vielen Höfen gab es Synagogen. Was heute oft nicht mehr zu erkennen ist, dokumentiert jetzt ein umfassender Katalog für Orte im ganzen Land.

Rund 700 Seiten umfasst das zweibändige englischsprachige Werk. Gebäude, die noch stehen, werden ebenso beschrieben wie viele, die es längst nicht mehr gibt. Die Zahlen sind ernüchternd: Von ehemals etwa 1.200 Synagogengebäuden gibt es nur noch knapp 100. Die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg und die sowjetische Zeit haben viele Gebäude zerstört. Um die restlichen ausfindig zu machen, war zum Teil detektivische Arbeit nötig.

Projekt Verantwortlich dafür war Giedre Mickunaite von der Wilnaer Kunsthochschule. An dem Forschungsprojekt nahmen 14 Wissenschaftler aus Litauen, Israel, Russland und Deutschland teil. Es basiert auf einer Initiative des Zentrums für jüdische Kunst an der Hebräischen Universität Jerusalem, das seit 1993 Synagogen auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion erfasst.

Vor sieben Jahren begannen Studenten der Kunsthochschule Vilnius mit Feldstudien. »Sie waren oft überrascht, wie viele Synagogen es gab und an welchen Orten sie standen«, sagt Mickunaite. Die Dokumentation bietet neben der Beschreibung der Synagogen einen Abriss der Ortsgeschichten. Der Text wird durch historische und aktuelle Bilder sowie Bauzeichnungen ergänzt.

Viele ehemalige Synagogen stehen heute leer und verfallen. »Während der Sowjetzeit hat sich eine unendliche Zahl von Baudenkmälern angehäuft, die eigentlich sofort restauriert werden müssten«, sagt Mickunaite. »Mit unserem Katalog können wir wenigstens dokumentieren, was es einmal gab und heute noch gibt. Uns ist klar, dass viele dieser Objekte in Zukunft nicht mehr bestehen werden.«

Aliza Cohen-Mushlin, Sergey Kravtsov, Vladimir Levin, Giedre Mickunaite und Jurgita Siauciunaite-Verbickiene (Hrsg.): Synagogues in Lithuania. 2 Bände, 700 S., Vilnius Academy of Arts Press, Vilnius 2010/2012

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025

Ausstellung

Avantgardistin der Avantgarde

Berthe Weill förderte nicht nur die moderne Kunst der Jahrhundertwende, als Galeristin war sie selbst eine Schlüsselfigur. Eine Ausstellung in Paris ehrt die Pionierin

von Sabine Schereck  13.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  11.11.2025

USA

Mehrgewichtig, zionistisch und stolz

Alexa Lemieux ist Influencerin in den sozialen Medien und zum Vorbild für viele junge jüdische Frauen geworden

von Sarah Thalia Pines  11.11.2025

Prag

Der Golem-Effekt

Seit mehr als fünf Jahrhunderten beflügelt das zum Schutz der Juden geschaffene Wesen aus Staub und Worten die Fantasie. Ein Blick zurück mit Büchern, Filmen und den »Simpsons«

von Sophie Albers Ben Chamo  11.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Jerusalem

Zerstrittene Zionisten

Der Zionistische Weltkongress tagt zum 39. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1897 durch Theodor Herzl. Doch das Treffen droht zum Fiasko für die Organisation zu werden. Die Hintergründe

von Joshua Schultheis  10.11.2025