Der weiße Schwan – so nannte man früher wegen ihrer Eleganz und leuchtend hellen Farbe im Volksmund das jüdische Gotteshaus von Widin, der bulgarischen Donaustadt unweit des Dreiländerecks mit Serbien und Rumänien. Die knapp 130 Jahre alte Synagoge ähnelt sogar einer einschiffigen Basilika und verfügt über vier Türme. Nach 1950 diente sie lange Zeit nicht mehr als Bethaus, weil die allermeisten Juden in der Region nach Israel ausgewandert waren. Zeitweise wurde sie zweckentfremdet, diente als Depot, bis sie endgültig leer stand.
In den 80er-Jahren hatte man immer wieder halbherzig versucht, das Bauwerk zu restaurieren. Jedoch wurden die Arbeiten immer wieder wegen zu knapper Finanzmittel abgebrochen. Erst als vor fünf Jahren ihr Eigentümer, und zwar »Schalom«, die Dachorganisation der bulgarischen Juden, das inzwischen schon fast zur Ruine gewordene Gebäude der Stadt abtrat, liefen umfangreiche Bauarbeiten an. Innerhalb von nur zwei Jahren konnte die Synagoge aufwendig restauriert und kürzlich ihrer neuen Funktion übergeben werden. Nun dient sie als Kulturzentrum, benannt nach Jules Pasquin, dem in Widin geborenen französisch-jüdischen Maler.
Aber die kleine, nur eine Handvoll Mitglieder zählende Gemeinde besitzt nach wie vor die Nutzungsrechte für einen Raum, der als Büro und zum Gebet dient. »Ich möchte darauf hinweisen, dass hier kein Plastik, kein Styropor, nichts Künstliches verwendet wurde! Alles wurde mit natürlichen Materialien, mit konventionellen Methoden renoviert«, wird Architekt Dragomir Yosifov nicht müde zu betonen.
Die Bedeutung der Synagoge wurde dadurch hervorgehoben, dass anlässlich der feierlichen Einweihung, angefangen vom Präsidenten der Republik Bulgarien, Rumen Radev, dem israelischen Botschafter in Sofia sowie Widins bulgarisch-orthodoxer Metropol, sehr viel Prominenz anwesend war. Sogar eine Videobotschaft des israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog an die mehreren Hundert Gäste gab es.
Heute leben schätzungsweise nur noch 5000 Juden in Bulgarien, die allermeisten in Sofia.
In seiner Ansprache erklärte Bürgermeister Tsvetan Tsenkov: »Ich freue mich über so viele Menschen, die sich für diesen geschichtsträchtigen Ort, der sich auch seine Spiritualität bewahrt hat, interessieren.« Ferner wies er darauf hin, dass die Einwohner von Widin schon immer für ihre Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen bekannt waren. Nicht zuletzt spielten sie auch bei der Rettung eines Großteils der bulgarischen Juden eine Schlüsselrolle.
Obwohl Bulgarien damals ein Verbündeter Deutschlands war, widersetzten sich der Zar, manche Politiker sowie die Kirche und Teile der Bevölkerung der geplanten Deportation der Juden und retteten so viele Leben. Allerdings hatten die im bulgarisch besetzten Mazedonien und Thrakien lebenden Juden nicht dieses Glück. Sie hatten nicht die bulgarische Staatsbürgerschaft, weshalb sie auch keinen Schutz genossen und alle ermordet wurden.
Heute leben schätzungsweise nur noch 5000 Juden in Bulgarien, die allermeisten in Sofia. Zwar gibt es gelegentlich antisemitische Vorfälle, doch Juden fühlen sich sicher und erhalten Unterstützung vom Staat. Das beweist nicht nur die Restauration der Synagoge von Widin, die im Rahmen des staatlichen Programms »Regionen im Wachstum« mit etwa fünf Millionen Euro bezuschusst wurde.
Ebenfalls fand am 10. September in Sofia der erste Spatenstich für den künftigen Campus der Gemeinde statt, auf dem Büros, Schule, Kindergarten und andere Institutionen von »Schalom« untergebracht werden sollen. Das Grundstück stellte die Stadtverwaltung unentgeltlich zur Verfügung.
Das bulgarische Judentum ist weitestgehend sefardisch. Die Vorfahren waren nach 1492 aus Spanien und Portugal in das Gebiet des heutigen Bulgarien geflohen, das damals unter osmanischer Herrschaft stand.