Europäische Union

»Das Wichtigste ist Sicherheit«

Rabbiner Pinchas Goldschmidt Foto: Uwe Steinert

Rabbiner Goldschmidt, sind Sie zufrieden mit den Anstrengungen der EU-Institutionen, wenn es um den Schutz jüdischen Lebens in Europa geht?
Die EU ist wichtig als zusätzliche Ebene zum Schutz von Minderheitenrechten. Das ist besonders dann sehr wichtig, wenn ein EU-Mitgliedsstaat diesen Schutz nicht mehr gewährleistet.

Die EU-Kommission hat vor gut zwei Jahren Katharina von Schnurbein zur Antisemitismusbeauftragten berufen. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Katharina von Schnurbein hat in der kurzen Zeit bereits Wichtiges erreicht. So hat sie die Betreiber der sozialen Netzwerke verpflichtet, zu handeln, wenn dort antisemitisches Gedankengut verbreitet oder zu Gewalt und Terrorismus aufgerufen wird.

Brit Mila und Schechita werden in einigen europäischen Ländern infrage gestellt. Was sollte die EU-Kommission dagegen unternehmen?
Europas politische Verantwortliche betonen immer, dass Europa nicht Europa sei ohne die Juden. Gleichzeitig unterstützen dieselben Politiker manchmal Gesetzesvorhaben, die jüdisches Leben in Europa schwieriger, ja praktisch unmöglich machen würden. Es ist Zeit, dass diese Politiker einsehen, dass die jüdische Gemeinschaft Europas durch bestimmte Gesetzesvorhaben genauso bedroht wird wie durch den Antisemitismus.

Was ist wichtig für die Zukunft des Judentums in Europa?
Das Wichtigste ist Sicherheit. Jüdische Kinder müssen auf Europas Straßen mit einer Kippa gehen können, ohne Angst haben zu müssen. Dazu gehört, dass Europa das Manifest gegen religiösen Extremismus der Europäischen Rabbinerkonferenz umsetzt. Darin fordern wir die Ausbildung Geistlicher durch europäische Einrichtungen, Transparenz, was die Finanzierung des religiösen Lebens angeht, und die Einrichtung eines Beauftragten in jeder Gemeinschaft, der genau hinschaut, wenn sich Mitglieder radikalisieren. Zweitens muss die Welle der Gesetzgebung, die sich gegen religiöse Minderheiten richtet, besonders gegen das Schächten und die religiöse Beschneidung, gestoppt werden. Und drittens muss verhindert werden, dass der Rassismus wieder Einzug hält in die Mitte der Politik.

Was ist das größte Problem: Antisemitismus unter muslimischen Zuwanderern, Rechtsextremismus oder linker Antisemitismus und Antizionismus?
Es wurde in den vergangenen Jahren in Europa nicht ein einziger Jude von Faschisten oder Neonazis umgebracht. Dagegen wurden Juden von radikalen Islamisten ermordet. Dennoch: Wir dürfen nie vergessen, dass die sechs Millionen Juden von Nazis ermordet wurden. Und Antizionismus ist doch nichts anderes als eine politisch korrekte Bezeichnung für Antisemitismus. Der Weg von BDS nach Teheran ist ziemlich kurz.

Mit dem Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz sprach Michael Thaidigsmann.

Gerichtsurteil

Haftstrafen für Gewalt gegen Israelis in Amsterdam

In digitalen Chat-Gruppen war der Anklage zufolge zu einer »Jagd auf Juden« aufgerufen worden

 24.12.2024

Kanada

Jüdische Mädchenschule in Toronto zum dritten Mal beschossen

Auch im vermeintlich sicheren Kanada haben die antisemitischen Angriffe extrem zugenommen - und richten sich sogar gegen Kinder

 23.12.2024

Bulgarien

Kurzer Prozess in Sofia

Der jüdische Abgeordnete Daniel Lorer wurde von seiner Partei ausgeschlossen, weil er nicht zusammen mit Rechtsextremisten stimmen wollte

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Großbritannien

Gerechtigkeit und jüdische Werte

Sarah Sackman wurde als frisch gewählte Abgeordnete zur Justiz-Staatsministerin ernannt

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  23.12.2024

Spanien

Tod in den Bergen

Isak Andic, Gründer der Modekette Mango und Spross einer sefardischen Familie aus der Türkei, kam bei einem Familienausflug ums Leben

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Australien

»Juden raus«-Rufe vor Parlament in Melbourne

Rechtsextremisten haben vor dem Regionalparlament in Melbourne antisemitische Parolen skandiert

 23.12.2024

Guatemala

Rund 160 Kinder vor ultraorthodoxer Sekte gerettet

Laut Behördenangaben wurden auf dem Gelände von »Lev Tahor« mutmaßliche sterbliche Überreste eines Kindes gefunden

 22.12.2024

Analyse

Putins antisemitische Fantasien

Der russische Präsident ist enttäuscht von der jüdischen Diaspora im Westen und von Israel

von Alexander Friedman  22.12.2024

Diplomatie

Israel und Irland: Das Tischtuch ist zerschnitten

Politiker beider Länder überhäufen sich mit Vorwürfen. Wie konnte es so weit kommen?

von Michael Thaidigsmann  18.12.2024