Ein Trio organisiert die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro, die offiziell am Freitag eröffnet werden. Genauer ein jüdisches Trio: Carlos Arthur Nuzman, 74-jähriger Präsident des Olympischen Komitees Brasiliens (COB) und zugleich Chef des Organisationskomitees (OK), Sidney Levy, Finanzexperte und Geschäftsführer des OK, und Leonardo Gryner, ein früherer Fernsehsportjournalist, mittlerweile Marketingexperte und Levys Stellvertreter.
Was das Trio zusammen stemmen muss, ist nicht weniger, als die Probleme in den Griff zu kriegen, die derzeit die Sportöffentlichkeit in aller Welt beschäftigt. Rio de Janeiro ist nämlich von sozialen Auseinandersetzungen erschüttert; im Stadtkrieg, der seit Jahrzehnten andauert, gibt es täglich Tote. Auch in den Wochen vor dem Beginn der Olympischen Sommerspiele kommt Rio nicht zur Ruhe. Seit Anfang des Jahres wurden in dem Teilstaat mehr als 60 Polizisten ermordet.
makkabiaden Nuzman, Nachfahre russischer Einwanderer, zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten der jüdischen Gemeinde Brasiliens, nicht zuletzt wegen seiner sportlichen Leistungen: Im lokalen Clube Israelita Brasileiro beginnt er als Jugendlicher mit Volleyball, wird bald bester Spieler und nimmt an den Olympischen Sommerspielen 1964 in Tokio sowie an vier Makkabiaden in Israel teil.
Dass es mit Brasiliens Volleyball zügig bergauf ging, halten viele Sportexperten just Carlos Arthur Nuzman zugute, der nach seiner Spielerkarriere als Präsident des nationalen Volleyballverbands weitermacht. Erfahrungen mit sportlichen Großereignissen? Bei den Panamerikanischen Spielen 2007 in Rio ist er Chef des Vorbereitungskomitees – zahlreiche damals errichtete Sportstätten werden auch für die Olympischen Spiele genutzt.
finanzen »Sport ist eigentlich nicht so mein Ding, nur in meiner Jugend war ich aktiv«, räumt hingegen Nuzmans Partner Sidney Levy ein, der sich ums Geld kümmern soll. »Ich bin durch und durch Geschäftsmann aus der Finanz- und Kreditkartenbranche. Ich muss jetzt ein Olympia-Budget von 2,2 Milliarden Dollar ordentlich verwalten.« Levy macht aber keinen Hehl daraus, bei seiner Olympiaarbeit »jüdisch zu handeln«, wie er sagt, also gemäß jüdischen Werten. Dies verhindere, dass er sein Mäntelchen nach dem Wind hänge, stets den leichtesten Weg gehe und unkritisch sei, sagt er.
Und Nuzman sagt: »Meine Verbindung, die ich zum Judentum und zu Israel habe, ist durch den Sport zustandegekommen.« Er war auch im Vorstand der Rio Jewish Federation, war Präsident des Hebraica Clubs und ist auch im lokalen Keren Hayesod aktiv.
Megaevent Mit ihrer Art, an die Dinge heranzugehen haben Levy, Nuzman und Gryner bereits etliche Erfolge, doch die Unterstützung der brasilianischen Öffentlichkeit für das Megaevent hat deutlich nachgelassen. Laut jüngsten Umfragen sind mindestens 50 Prozent der Brasilianer gegen die Spiele, 63 Prozent sehen mehr Schaden als Nutzen für die Bevölkerung. »Angesichts dieser Situation wäre Rio de Janeiro heute nicht als Austragungsort ausgewählt worden«, konstatiert Carlos Arthur Nuzman bitter.
Er hatte sich zusammen mit Levy und Gryner vor einigen Jahren mit großem Eifer 2009 in die Vorbereitungen gestürzt. Ein wichtiger Punkt war stets gewesen, dass Staat und Stadtverwaltung alle Zusagen korrekt einhalten müssten – auch wenn der frühere Präsident Lula da Silva wegen Korruptionsaffären kaltgestellt ist und gegen seine enge Vertraute und Nachfolgerin Dilma Rousseff just in diesen Olympia-Tagen ein Amtsenthebungsverfahren läuft.
Immerhin, mit der Bitte über eine Amtsenthebung Rousseffs nicht gerade während der Spiele zu entscheiden und innenpolitische Konflikte von Olympia fernzuhalten, kam das Trio durch. Das Rousseff-Impeachment steht nun erst Ende August auf der Tagesordnung, wenn die Spiele bereits zu Ende sind.
notstand »Wir organisieren Olympia doch nicht allein«, hatte Nuzman klargestellt. Seine Forderungen an Staat und Regierung sind nachvollziehbar, schließlich ist der Teilstaat Rio de Janeiro pleite und musste im Juni den finanziellen Notstand erklären.
Alle Fragen zur Ausbreitung des Zika-Virus in einigen Teilen Brasiliens wurden nicht von der Regierung beantwortet, sondern vom Trio Nuzman, Levy, Gryner. »Keiner der Spitzenathleten hat bislang abgesagt«, erklärte Nuzman. »Wenn es da einen aus der zweiten Reihe gibt, der nicht kommt – dann soll das okay für ihn sein.«
Sidney Levy musste sogar vor die US-Presse in Washington, um sich besorgten internationalen Journalistenfragen zu stellen. Als das Trio das Thema Zika halbwegs gemeistert hatte, kam der Anschlag von Nizza. »Bei meinen zehn wichtigsten Olympia-Risikofaktoren fehlt Zika«, sagt Levy mittlerweile. »Die Hauptsorge ist die Sicherheit von Athleten und Besuchern.« Am meisten beunruhigen ihn mögliche Attacken sogenannter »lone wolves«, zu allem entschlossene Einzeltäter.
Sicherheitslage Bereits im vergangenen Jahr hatten IS-Quellen verbreitet: »Brasilien, du bist unser nächstes Ziel.« Zwar ist das israelische Unternehmen International Security & Defense Systems (ISDS) für die Sicherheit der Spiele zuständig und soll die Zusammenarbeit von mehr als 85.000 speziell für Rio geschulten Polizisten und Soldaten koordinieren – das sind etwa doppelt so viele wie vor vier Jahren in London. Doch ob sie auftragsgemäß handeln, ob gängige Kungeleien zwischen Polizeiapparat und organisiertem Verbrechen ausgeschlossen sind, steht angesichts der aktuell in Rio so prekären Sicherheitslage in den Sternen.
Levy, Nuzman und Gryner erörterten die neue Situation mit der Regierung, Polizei und Verteidigungsministerium. Bisher ist klar: Es wird noch mehr Checkpoints und lästige Kontrollprozeduren geben – und noch mehr Wachpersonal. Die Spiele, so heißt es, würden damit für Sportler und Zuschauer weniger komfortabel, aber dafür sicherer.
Finanzchef Levy versichert dennoch. »Die Spiele werden nur die Hälfte von denen 2012 kosten.« Damals in London war es aus Angst vor terroristischen Anschlägen zu einem Rekordaufgebot von Sicherheitskräften gekommen.
Mehr als 100 Teilnehmerländer bringen eigene Teams von Sicherheitsexperten mit, auch Israel. Mindestens neun Staaten sollen Brasilia über konkrete terroristische Bedrohungen informiert haben. Wie ernst man die jeweiligen Hinweise nehmen muss, darüber lässt das Trio nichts nach außen dringen.
umwelt Terror ist die Hauptsorge, aber nicht die einzige. Sehr verärgert sind Numan, Levy und Gryner auch darüber, dass der Staat Versprechen gebrochen hat und etwa die für Segelwettbewerbe benötigte Bucht von Rio immer noch viel zu dreckig, zu bakterienverseucht ist. Noch kurz vor den Spielen lässt Levy täglich testen, welche der fünf möglichen Buchtareale am geeignetsten wären.
Natürlich wird er immer wieder gefragt, ob die in Brasilien allgegenwärtige Korruption auch Probleme für sein Vorbereitungskomitee bringe. Levy reagiert ironisch: »Gegenüber der Presse sage ich dazu lieber nichts – weil ich die sehr schlechte Angewohnheit habe, eine solche Frage zu beantworten.«