Interview

»Das ist beunruhigend«

Richard Prasquier Foto: Rolf Walter

Herr Prasquier, die Zahl antisemitischer Vorfälle in Frankreich ist seit Anfang des Jahres stark gestiegen. Ist unter diesen Umständen noch jüdisches Leben möglich?
Nach dem Terroranschlag von Toulouse im März nahm die Zahl der Vorfälle um das Dreifache zu. Danach sank sie wieder auf Vorjahresniveau. Das heißt: Ein schrecklicher Angriff, bei dem Kinder ermordet wurden, wirkte als Vorbild. Das ist beunruhigend, denn es zeigt, dass manche in dem Mörder einen Helden sehen, dem sie nacheifern.

Die meisten Täter sind junge Männer, die auf französische Schulen gegangen sind. Hat das Bildungssystem versagt?
Es wäre unfair, allein die Schulen dafür verantwortlich zu machen. Aber fest steht, dass das Bildungssystem nicht zufriedenstellend auf Jugendliche reagiert, die islamisch radikalisiert werden und Gefahr laufen, straffällig zu werden. Man muss den Unterricht so gestalten, dass er die Schüler gegen die Botschaften der Hassprediger wappnet. Das ist nicht leicht, besonders in Stadtteilen mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil. In vielen dieser Viertel wird mit Drogen gehandelt. Da ist es schwierig, die Jugendlichen zum Schulbesuch anzuhalten, wenn sie doch sehen, dass sie mit dem Drogenhandel weit mehr verdienen als mit einem Schulabschluss.

Welchen Einfluss hat die Wirtschaftskrise auf den wachsenden Antisemitismus?
Es gibt einen Einfluss, aber die Krise erklärt nicht alles. Ein weitaus wichtigerer Faktor ist die Tatsache, dass diese Menschen die Integrationstests nicht bestanden haben.

Diskutieren Sie mit führenden Muslimen darüber, wie man diese jungen Männer erreichen kann?
Der Einfluss führender muslimischer Vertreter auf die Community ist sehr begrenzt. Viele der Moscheen, in denen radikale Lehren verbreitet werden, stehen außerhalb des Systems. Und etliche dieser jungen Männer gehören überhaupt keiner Moschee oder Gemeinde an.

Der Antisemitismus hat nicht nur zugenommen, sondern ist auch brutaler geworden.
Die gesamte Gesellschaft ist brutaler geworden. Das hat nichts mit Antisemitismus zu tun, sondern mit der Art, wie sich diese radikalisierten jungen Männer verhalten.

Was kann man da noch tun?
Wir informieren natürlich die staatlichen Behörden. Sie müssen der gesamten Gesellschaft vor Augen halten, was auf dem Spiel steht. Es geht nicht nur um das Schicksal unserer jüdischen Gemeinschaft, sondern um die Zukunft des ganzen Landes. Es handelt sich hier nicht um einen Kampf zwischen Juden und Muslimen, sondern es geht um die Frage, was für eine Gesellschaft wir wollen: eine, die auf der Scharia basiert, oder eine, die auf demokratischen Prinzipien begründet ist.

Mit dem Präsidenten der französisch-jüdischen Dachorganisation CRIF sprach Tobias Kühn.

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025