Eigentlich waren die Rollen klar verteilt: Der Anne Frank Fonds in Basel verwaltet den schriftlichen Nachlass der Familie Frank, darunter auch das weltberühmte Tagebuch der Anne Frank. Und die Stiftung in Amsterdam betreibt das Museum, das jährlich mehr als eine Million Besucher anzieht. So dürfte es wohl auch im Sinne von Annes Vater, Otto Frank, gewesen sein. Er überlebte als Einziger der Familie die Schoa, zog nach Basel und gründete dort den Fonds.
Auf Otto Frank berufen sich seit Längerem beide Seiten in einem Streit, der nun neue Ausmaße angenommen hat: Vordergründig geht es um rund 25.000 Dokumente, darunter Briefe, aber auch Fotos der Familie. Die Dokumente waren 2007 nach Amsterdam gegeben worden, »ausdrücklich als Leihgabe des Fonds«, sagt Fonds-Stiftungsrat Yves Kugelmann. Entsprechende Verträge seien zwar vorbereitet, von der Stiftung aber nie unterzeichnet worden.
Wurzeln Nun fordert der Fonds die Dokumente zurück, weil er sie nach Frankfurt am Main verschicken will. Dort sollen sie im Jüdischen Museum eine endgültige Bleibe finden, was auch dem Willen von Buddy Elias (88) entspricht. Der Cousin von Anne Frank ist Präsident des Fonds und lebt in Basel, doch seine Wurzeln liegen in Frankfurt.
Die Pläne des Fonds seien ebenso wenig mit der Stiftung abgesprochen worden, wie der Grundsatzentscheid der Basler, die Kooperation mit Amsterdam zu beenden, sagt Ronald Leopold, Direktor des Amsterdamer Anne Frank Hauses. »Die Zusammenarbeit wäre aber wichtig, um Streitigkeiten wie die aktuellen zu vermeiden.«
Zwar bestreitet Leopold nicht, dass Otto Frank seinerzeit den Fonds als Universalerben eingesetzt hat, aber Ansprüche auf das Erbe von Anne Frank hätten auch andere Körperschaften, sagt er. Wem die Dokumente tatsächlich zustehen, muss nun ein niederländisches Gericht klären. In Basel ist man zuversichtlich, Recht zu erhalten. Andernfalls werde man über weitere rechtliche Schritte nachdenken.
Grundsatzstreit Nicht Gegenstand juristischer Entscheidungen ist ein Grundsatzstreit, der das Verhältnis der beiden Gremien zusätzlich belastet: »Otto Frank wollte in Amsterdam allenfalls eine Begegnungsstätte für junge Menschen aus aller Welt, aber er wollte ausdrücklich kein Museum und keinen Pilgerort«, sagt Yves Kugelmann.
Man sei kein »Pilgerort«, verteidigt sich Ronald Leopold. »Im Museum ist das Leben und Sterben von Anne Frank ausführlich und in einer Art dokumentiert, die direkt auf die Ansprüche und Bedürfnisse gerade von jungen Menschen eingeht.«
Für Kugelmann liegt das Problem tiefer: »Im Amsterdamer Museum gibt es nur ein Opfer, nämlich Anne, aber keine Täter. Sie wird damit zu einer Ikone der Schoa gemacht, ohne dass nach Tätern oder anderen Opfern gefragt würde.«