Sie sind gut organisiert, international vernetzt – und geben nicht auf. Im Sommer haben Gruppen wie »Intact Denmark« erneut eine Debatte über die Beschneidung entfacht. Die Auseinandersetzungen sind diesmal von unverhohlen antisemitischen Beleidigungen geprägt sowie von Bedrohungen gegen die rund 6500 dänischen Juden.
Angriffe Seit der Religionswissenschaftler Jens-André Herbener am 28. September in der Zeitung »Politiken« einen Beitrag gegen ein Beschneidungsverbot veröffentlichte, nimmt auch die breite Öffentlichkeit die Angriffe zur Kenntnis. Herbener hatte den feindseligen Ton der Debatte angesprochen und erklärt, die vehemente Kritik an der Brit Mila habe zu »einer Dämonisierung der Juden« geführt. Die meist anonymen Leserreaktionen reichten zum Entsetzen der liberalen Dänen bis zu offenem Judenhass.
Oberrabbiner Jair Melchior zeigt sich erschrocken vom Ausmaß des Hasses. »Es kommen Seiten zum Vorschein, die man im toleranten Dänemark nicht vermutet hätte«, sagte er. Ungehemmt würde verallgemeinert, und man ließe den Vorurteilen freien Lauf. »Das ist furchterregend.«
Muslime Rund 90 Prozent der registrierten antisemitischen Bedrohungen und Angriffe gingen bislang auf das Konto muslimischer Dänen. Doch in diesem Sommer änderte sich das. Jetzt zeigen die »almindelige dankser«, die Durchschnittsdänen, ihren Hass. Die jüdische Journalistin Heidi Laura stellte fest: »Die dänische Gesellschaft ist im Begriff, eine sehr gefährliche Grenze zu überschreiten.«
Befeuert werden die Beschneidungsdebatten regelmäßig durch den Beschneidungsgegner und Arzt Morten Frisch, der am Kopenhagener Statens Serum Institut arbeitet. Frischs Studien werden von den Gegnern der Zirkumzision begeistert aufgenommen und verbreitet. Im Januar 2015 veröffentlichte Frisch das Ergebnis einer Untersuchung, wonach beschnittene Jungen aufgrund des erlittenen Traumas ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko hätten, Autisten zu werden.
Experten halten diese Studie allein schon aus statistischen Gründen für unseriös: In den westlichen Ländern sinkt die Zahl der Beschneidungen seit Ende der 80er-Jahre kontinuierlich, während in den vergangenen Jahren die Zahl der Autismus-Fälle anstieg. Hinzu kommt, dass die Autismusrate in Ländern wie Israel, in denen ein Großteil der männlichen Bevölkerung beschnitten wurde, keineswegs höher ist als in europäischen Staaten.
Frisch will weiterforschen. Dänemarks Juden und Muslime befürchten, dass die dänischen Beschneidungsgegner keine Ruhe geben werden.