Papa, wieso läufst du mit nacktem Oberkörper durchs Haus», fragt Adam (Simon Bird) seinen Vater Martin (Paul Ritter). «Junge, mir ist so heiß!» – der allwöchentliche Wortwechsel vor dem traditionellen Freitagabendessen der britischen Familie Goodman. Friday Night Dinner ist eine neue jüdische Sitcom des britischen Fernsehsenders Channel 4. In sechs Folgen wird das Publikum in die charmant-verrückte Welt einer jüdischen Familie in Großbritannien entführt. In bester Woody-Allen-Manier kalauern die Brüder Adam und Jonny (Tom Rosenthal) mit ihren Eltern Martin und Jackie (Tamsin Greig), was das Zeug hält. Eine Prise Slapstick und ein Schuss Tragik machen die Comedy zu einer runden Sache.
Dabei reichen die Absurditäten von Vater Goodmans mangelnder Kenntnis jugendlicher Gepflogenheiten (beim Versuch, mit dem Papa einen High Five zustande zu bringen, haut Sohn Adam seinem alten Herrn beinahe eine herunter) bis hin zu Mutter Goodmans nervig-naiver Neugier. Besonders groteske Blüten treibt die Komik in der zweiten Episode, als Martin Goodman beim Pinkeln im Garten von einer Biene in seine Männlichkeit gestochen wird und seine Frau ihm vor der versammelten Familie die Hosen herunterzieht, um das Ungemach aus nächster Nähe zu betrachten. Ähnlich wie Allens Stadtneurotiker ringen auch die Goodmans – manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich – mit den Tücken des Alltags.
Exzentrisch Und dann wäre da noch der schräge Nachbar Jim (Mark Heap), der ständig mit seinem Hund Winston bei den Goodmans vor der Tür steht und fragt, ob er die Toilette benutzen kann. Seine ist angeblich verstopft. Aber es stellt sich im Laufe der ersten Episode heraus, dass der exzentrische Hundebesitzer auch ein Auge auf Mama Goodman geworfen hat: Als Jackie und Sohn Adam über eine Leiter aus dem ersten Stock das Haus verlassen müssen – ein Sofa blieb beim Heruntertragen auf der Treppe stecken – legt der Nachbar in bester Absicht seine Hände auf Muttis Hintern. Vater Goodman ist so mit sich beschäftigt, dass es ihm nicht einmal auffällt. Alltägliche Szenen einer langjährigen, jüdischen Ehe?
Der britische Produzent und Drehbuchautor Robert Popper, Vater der Sitcom, erklärt, er sei in erster Linie von seiner eigene Familie zu den schrägen Charakteren inspiriert worden. «Ich wollte etwas über eine Familie schreiben. Ich stehe meiner eigenen sehr nahe und mir fiel auf, dass Väter ein bisschen merkwürdig werden, wenn sie die 55 überschritten haben. Mein alter Herr stapft zum Beispiel oft mit nacktem Oberkörper durchs Haus – genau wie der Vater in Friday Night Dinner.» Auch die seltsame Beziehung der beiden Brüder Adam und Jonny basiert auf Poppers Erfahrungen mit der eigenen Mischpoke: «Mein Bruder und ich versuchen noch heute, uns mit albernen Späßen gegenseitig das Essen zu vermiesen. Sobald man sein Elternhaus betritt, ist man wieder 15 Jahre alt.»
Das Freitagabendessen ist natürlich eine althergebrachte jüdische Tradition, und eine jüdische Familie steht im Mittelpunkt der Sendung, aber ist sie deswegen «typisch jüdisch»? Nicht, wenn man der Journalistin Jane Simon vom britischen Daily Mirror Glauben schenken darf: «Das Jüdischste, was mir auffällt, ist die Perücke von Mutter Goodman».
Das ist kein Zufall, wie Popper in einem Gespräch mit dem Daily Telegraph erklärt: «Für Juden ist es eine jüdische Show. Aber genau so sollte es sein. Wenn ich sonst jüdische Sendungen im Fernsehen sehe, rufen die Charaktere ständig ›Oy vey!‹, aber ich finde das weder realistisch noch überzeugend. Ich schreibe die Dinge so auf, wie ich sie selbst erlebt habe, wenn auch überzeichnet.» Der Drehbuchautor hat bereits an verschiedenen sehr erfolgreichen britischen Comedy-Serien wie Peep Show gearbeitet und war als Autor für die erfolgreiche US-Serie South Park tätig.
Kritik Leider war die britische Presse anfangs nicht sehr beeindruckt von der neuen Fernsehserie: «Insgesamt nicht gerade eine urkomische Show», schrieb die britische Webseite Comedycritic.co.uk. Nach der zweiten Folge hatte sich Popper offensichtlich warmgeschrieben, denn die Kritiker waren plötzlich milder gestimmt.
Auch die britische Twitter-Gemeinde hatte etwas zu Friday Night Dinner zu sagen – sicher kein unbedeutendes Feedback, da die Sendung unter anderem für ein junges Publikum konzipiert war. «Das Debüt der Channel-4-Sitcom wurde auf der Microblogging-Site zunächst kritisiert», schrieb die britische Zeitung Metro. Aber in den nächsten Folgen war manches anders: «Die sorgfältig konstruierte, fast schon peinliche Atmospäre der ersten Episode war noch präsent, wurde aber durch einige waschechte Schenkelklopfer ergänzt.» Dazu gehörte zum Beispiel Martin Goodmans tolpatschiger Versuch, seinem Sohn Adam beim Internet-Dating mit väterlichem Rat zur Seite zu stehen. – Oy vey!
Die Comedyshow ist im Internet auf der Channel-4-Webseite in englischer Sprache zu sehen:
www.channel4.com/programmes/friday-night-dinner/4od