Polen

Chronist des Grauens

Feliks Tych 2013 in der Münchner Ohel-Jakob-Synagoge Foto: Marina Maisel

Feliks Tych ist tot. Der Schoa-Überlebende, Historiker und langjährige Direktor des Jüdischen Historischen Instituts starb am Dienstag nach langer Krankheit in Warschau. Vor fünf Jahren, am 27. Januar 2010, hatte Tych die Rede zum Holocaust-Gedenktag im Deutschen Bundestag gehalten. Am Beispiel seiner eigenen Familie zeigte er, wie die »Walze des Holocaust« die Eltern, etliche der insgesamt acht Geschwister, deren Ehepartner und Kinder im Vernichtungslager Treblinka tötete.

Pflegeeltern Feliks Tych selbst verdankte sein Leben mehreren katholischen Polen, die ihn wie ein eigenes Kind aufnahmen, kleideten, ernährten und bei denen er auch nach dem Krieg bleiben durfte. Einer seiner Brüder, der sich nach Warschau hatte retten können, wurde hingegen an die Gestapo verraten und erschossen.

Bis zum Beginn des Krieges besuchte Tych die polnische Volksschule in Radomsko in der Nähe der deutschen Grenze. Der Vater besaß eine kleine Metallfabrik in der Stadt. Bereits Ende 1939 entstand in Radomsko eines der ersten Ghettos im deutsch besetzten Polen. Die Eltern rangen sich durch, Feliks, ihren jüngsten Sohn, einem polnischen Bekannten anzuvertrauen, der ihn nach Warschau bringen sollte.

Nach dem Krieg machte Tych Abitur und studierte Geschichte in Warschau und Moskau, wo er mit einer Arbeit über die Revolution 1905–1907 im Königreich Polen promovierte. 1970 wurde er zum außerordentlichen Professor und 1982 zum ordentlichen Professor für Geschichtswissenschaft ernannt.

Hetzkampagne Bei der 1968 einsetzenden antisemitischen Hetzkampagne der kommunistischen Partei, deren Mitglied Tych war, verloren er und seine Frau, die Theaterregisseurin Lucyna Berman-Tych, ihre Arbeit.

Nach 1990 nahm Tych mehrfach Gastprofessuren an verschiedenen deutschen Universitäten an. Für seine Arbeiten zur Sozialgeschichte der Arbeiterbewegung erhielt er 1990 den Österreichischen Victor-Adler-Staatspreis.

1995 wurde Tych Direktor des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau. Er arbeitete fortan fast ausschließlich zum Thema Schoa und gab eine Reihe wichtiger Bücher in polnischer, englischer und deutscher Sprache heraus, so etwa Deutsche, Juden, Polen: Der Holocaust und seine Spätfolgen. Kurz vor seinem Tod konnte Tych noch zwei für ihn persönlich sehr wichtige Bücher abschließen: Kinder über den Holocaust. Frühe Zeugnisse 1944–1948 und Die Nachwirkungen des Holocaust. Polen 1944–2010.

Guatemala

Rund 160 Kinder vor ultraorthodoxer Sekte gerettet

Laut Behördenangaben wurden auf dem Gelände von »Lev Tahor« mutmaßliche sterbliche Überreste eines Kindes gefunden

 22.12.2024

Analyse

Putins antisemitische Fantasien

Der russische Präsident ist enttäuscht von der jüdischen Diaspora im Westen und von Israel

von Alexander Friedman  22.12.2024

Diplomatie

Israel und Irland: Das Tischtuch ist zerschnitten

Politiker beider Länder überhäufen sich mit Vorwürfen. Wie konnte es so weit kommen?

von Michael Thaidigsmann  18.12.2024

Paris

Phantom einer untergegangenen Welt

Eine neue Ausstellung widmet sich der Geschichte und Rezeption des Dibbuks

von Sibylle Korte  18.12.2024

Bern

Schweiz will mit neuem Gesetz gegen Nazi-Symbole vorgehen

In der Schweiz wurde ein Anstieg von antisemitischen Vorfällen beobachtet. Nun soll es einfacher werden, das öffentliche Zeigen von NS-Symbolen zu bestrafen

von Albert Otti  16.12.2024

Spanien

»Mango«-Gründer Isak Andic stirbt bei Bergunfall

Andic galt als einer der reichsten Männer Spaniens

 15.12.2024

Amsterdam

Spätherbst in Mokum

Einen Monat nach der Hetzjagd auf israelische Fußballfans diskutieren die Niederlande über Antisemitismus. In der jüdischen Gemeinschaft bleibt eine fundamentale Unsicherheit

von Tobias Müller  12.12.2024

Schweiz

Fünf Übergriffe auf Juden an einem Wochenende in Zürich

Die jüdische Gemeinschaft der Schweiz ist zunehmend verunsichert - der Antisemitismus hat ein Allzeithoch erreicht

 11.12.2024

Osteuropa

Der Zauber von Lublin

Isaac Bashevis Singer machte die polnische Stadt im Roman weltberühmt – jetzt entdeckt sie ihr jüdisches Erbe und bezieht es in die Vorbereitungen auf das Europäische Kulturhauptstadtjahr 2029 mit ein

von Dorothee Baer-Bogenschütz  10.12.2024