Hebräische Gesänge und Liebeslieder von Bizet über Fauré bis Ravel verspricht das Album von Sofia Falkovitch. In vier Sprachen (Hebräisch, Jiddisch, Russisch und Französisch) singt die 37-Jährige, deren CD kürzlich bei dem französischen Label Calliope erschienen ist.
Mit ihrem erhobenen Haupt und der markanten Stimme wirkt die heute in Paris lebende Mezzosopranistin wie eine Diva. Sie ist die erste Sängerin, die nach der Schoa in Deutschland zur Kantorin ausgebildet wurde und ist freischaffend tätig.
Falkovitchs CD berührt unterschiedliche Bereiche: klassische Musik, Improvisation und nicht zuletzt die jüdische Liturgie. Die von ihr ausgewählten, mit einem Kammerorchester eingespielten Lieder reichen von bekannten Stücken wie »Sim Shalom« aus der Amida über das »Kaddisch« von Ravel und die Vertonung jiddischer Lieder über »Carmen« bis hin zum Hohelied.
Männerberuf Falkovitchs Lebensweg liest sich wie eine Bilderbuchkarriere. Und doch beharrt die Sängerin darauf, hart gearbeitet zu haben, um als Frau in einem Männerberuf da hinzukommen, wo sie heute steht. »Es ist nicht so, dass ich seit jeher wie Käse in Butter schwimme«, zitiert sie ein russisches Sprichwort.
Musikalität scheint der 1980 in Moskau Geborenen aber in die Wiege gelegt worden zu sein, ebenso wie ihr starkes Selbstbewusstsein. Falkovitchs Vater leitete ein kleines Theater, ihre Mutter malte. Zu Hause herrschte ein buntes Treiben, Künstler gingen ein und aus, das Klavier stand im Zentrum – eine Atmosphäre, die Falkovitch geprägt hat, ebenso wie der Besuch von Theatervorstellungen. Beim Beobachten der Schauspieler schärfte sie ihr Gehör und ihr szenisches Gefühl. »Das war eine gute Schule«, sagt sie heute. Dem Wunsch ihres Vaters, keinesfalls Sängerin oder Schauspielerin zu werden, widersetzte sie sich.
Anfang der 90er-Jahre zog ihre Familie nach Berlin. Dann ging sie zum Gesangsstudium nach Kanada. Später studierte sie an der School of Sacred Music des Hebrew Union College in Jerusalem Chasanut. Dort lernte ihren Mann kennen, der sich in Israel zum Rabbiner ausbilden ließ. Gemeinsam gingen sie zurück nach Berlin, wo beide ihre Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg abschlossen.
Statement Es war ein langer Weg, bis Falkovitch ihre eigene CD herausbrachte. Sie wollte sicher sein, dass das, was sie einspielt, auch ihren Erwartungen entspricht. »Ich wollte diese traditionellen, oft A-cappella-Gesänge in der jüdischen Tradition einem breiteren Publikum anbieten. Es ist eine Schatzkammer, ein Erbe, das wir teilen sollten«, meint sie. Dabei bestand sie auf einem reduzierten Orchester, weil sie die Intimität des Gebets beibehalten wollte.
Stetig neue Nuancen hinzuzulernen, ist Falkovitch wichtig. »Die Chasanut ist ein unerschöpfliches Gebiet«, meint die Kantorin. »Ich habe das Gefühl, gerade erst angefangen zu haben.«
Mit »Schirat Hajam«, dem »Lied am Meer«, hat sie Mirjam, einer der großen Frauen der jüdischen Tradition, ihre Reverenz erwiesen. Das ist durchaus als feministisches Statement zu verstehen, denn bis heute gibt es in Frankreich keine Kantorin. »Aber ich glaube, die Zeiten ändern sich, und deshalb bin ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort.« Als Frau habe sie bis heute mit Vorurteilen zu kämpfen, sagt Falkovich. Aber wenn sie nach einem Konzert den Beifall und die Reaktionen der Zuschauer erlebe, wisse sie, dass sie es irgendwie geschafft hat. Die Frage, ob ein Mann oder eine Frau gesungen hat, spielt dann auf einmal keine Rolle mehr.
Sofia Falkovitch: »Chants Hébraïques et chants d’amour«. Calliope Records, Compiègne 2017.