Tunesien

Brit Mila am Tag danach

Zwei der Todesopfer waren Cousins: Aviel Haddad (30) und Benjamin Haddad (42) waren gemeinsam zur altehrwürdigen Ghriba-Synagoge auf der Insel Djerba gekommen, um an der alljährlichen Lag-BaOmer-Feier teilzunehmen. Das im 19. Jahrhundert erbaute Gotteshaus steht an einem Ort, von dem vermutet wird, dass er schon vor 2500 Jahren eine Synagoge beherbergte.

Schon 2002 war die Ghriba-Synagoge Schauplatz eines schrecklichen Terroranschlags gewesen. Damals schlug Al-Qaida zu, 20 Menschen starben. Am Dienstag war es ausgerechnet ein Nationalgardist, der nicht nur die beiden jüdischen Pilger, sondern auch drei seiner Kollegen erschoss und weitere Personen verwundete.

nachbarschaft Benjamin Haddad betrieb in der südfranzösischen Stadt Marseille eine koschere Bäckerei. In der Nachbarschaft war er als sehr großzügiger Mensch bekannt. Ein muslimischer Nachbar sagte der Zeitung »Le Parisien« über den Getöteten: »Für die Leute, die Brot brauchten, brachte er alles, was er noch übrig hatte. Ich verteilte es weiter, damit es nicht in den Müll geworfen wurde.« Haddad hinterlässt eine Frau und vier Kinder.

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Auch der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Marseilles, Michel Cohen-Tannoudji, zeigte sich tief bewegt über Benjamin Haddads Tod. »Er war ein Mann, der in die Synagoge ging, um zu beten, um Gott um Frieden zu bitten. Jetzt ist er deswegen gestorben.«

Alljährlich kommen mehrere Tausend Juden aus aller Welt nach Djerba, um gemeinsam zu feiern und zu beten. Viele von ihnen sind tunesischer Abstammung, so wie die beiden Haddad-Cousins. Aviel Haddad, der ebenfalls aus Marseille stammte und in Beer Sheva lebte, besaß neben der israelischen die tunesische Staatsbürgerschaft. Er war glühender Fan der tunesischen Fußball-Nationalmannschaft und hatte auch auf Djerba eine Wohnung.

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In dem nordafrikanischen Land selbst leben heute nur noch wenige Juden, die meisten von ihnen auf Djerba und in der Hauptstadt Tunis. Auch die – im Gegensatz zum Nachbarn Marokko – eher israelfeindliche Politik des amtierenden Staatspräsidenten Kais Saied trägt nicht zur Verbesserung der Lage der noch im Land lebenden Juden bei, obwohl sich die Behörden Mühe geben, mit dem jüdischen Kulturerbe auf Djerba auch Touristen und Pilger aus Israel anzulocken.

Der Terroranschlag vom Dienstag dürfte einen weiteren Rückschlag bedeuten. Kritisiert wurde auch die Tatsache, dass Präsident Saied in seiner Reaktion nicht erwähnte, dass zwei der Todesopfer jüdisch waren.

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»Der tunesische Präsident Kais Saied spricht über den Terroranschlag, ohne das Wort ›Jude‹ auch nur einmal zu erwähnen. Minister der tunesischen Regierung besuchen die Hotels, um den Touristen zu versichern, sie seien sicher. Aber kein einziger Minister taucht bei der jüdischen Gemeinde auf. Die jüdische Gemeinde wird von der Regierung völlig ignoriert, nicht nur heute, sondern seit Kais Amtsantritt«, schrieb Rabbiner Pinchas Goldschmidt, Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, empört auf Twitter.

Saied hatte am Mittwoch von einem »kriminellen und feigen« Angriff gesprochen. »Ich möchte dem tunesischen Volk und der ganzen Welt versichern, dass Tunesien trotz dieses Versuchs, die Stabilität des Landes zu stören, sicher bleiben wird«, sagte er.

REAKTIONEN Weltweit wurde der Anschlag scharf verurteilt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versprach, den Kampf »gegen antisemitischen Hass« fortzusetzen. Israels Außenminister Eli Cohen sagte, das Blutvergießen beweise, dass »das Böse und der Hass immer noch da sind«.

Cohen telefonierte mit dem Oberrabbiner von Tunis, Haim Bitan, und sagte ihm, dass Israel »in dieser schweren Stunde an der Seite der Gemeinschaft steht«. Cohen wies zudem seine Diplomaten an, alle erforderliche Hilfe zu leisten. Israel und Tunesien unterhalten keine offiziellen diplomatischen Beziehungen.

Auch in Washington wurde der Anschlag verurteilt. »Wir sprechen dem tunesischen Volk unser Beileid aus und loben das schnelle Handeln der tunesischen Sicherheitskräfte«, sagte ein Sprecher des State Department.

motiv Über das Motiv des Attentäters, der als Mitglied der tunesischen Nationalgarde zum Schutz des Gebäudes eingesetzt war, besteht weiter Unklarheit. Der Gardist war in der Hafenstadt Aghir in einem Zentrum der Marine tätig, wo er am Dienstag zunächst einen Kollegen mit seiner Dienstwaffe erschoss, bevor er sich Munition besorgte und sich zur Ghriba-Synagoge begab.

Die Zahl der Todesopfer des Attentats stieg am Mittwoch auf fünf. Ein Polizeibeamter erlag am Mittwoch seinen Verletzungen, vier weitere Angehörige der Sicherheitskräfte befinden sich in Djerba im Krankenhaus, einer von ihnen ist in kritischem Zustand.

In der Ghriba-Synagoge ging allerdings schon am Tag nach dem Terroranschlag das jüdische Leben wieder seinen Gang. Ein acht Tage alter Junge wurde beschnitten.

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