Nach dem von einigen als »kalter Putsch« bezeichneten Machtwechsel in Brasilien ist Ilan Goldfajn zum neuen Chef der brasilianischen Zentralbank ernannt worden. Der in Haifa geborene Goldfajn war bisher Chefökonom bei Itau Unibanco, dem größten privaten Geldinstitut Brasiliens.
Wie viele liberale Ökonomen im Land studierte er an der Katholischen Universität von Rio de Janeiro, später promovierte er am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Goldfajn arbeitete viele Jahre als Berater bei der Weltbank und beim Weltwährungsfonds. Über Goldfajns Privatleben ist nur wenig bekannt: Er ist mit der Psychoanalytikerin Denise Salomão Goldfajn verheiratet, hat drei Kinder und ist aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde.
Kompetent Goldfajns Ernennung muss noch vom Senat bestätigt werden. Ob dies bereits vor der nächsten Zentralbanksitzung am 8. Juni geschieht, ist ungewiss. Aus Bankerkreisen erhält der 50-Jährige viele Vorschusslorbeeren. »Seine technischen Fähigkeiten sind unbestritten, und er wird seine fundamentale Erfahrung in der momentanen wirtschaftlichen Situation der Zentralbank gut einbringen«, lobt der frühere Zentralbankchef Carlos Thadeu de Freitas, derzeit Chefökonom der Nationalen Handelskammer. Ähnlich begeistert äußerte sich Segio Werlang, Professor der Stiftung Getulio Vargas: »Goldfajn ist ein extrem kompetenter und geeigneter Banker für diese Funktion.«
Ilan Goldfajn übernimmt den Vorsitz von Brasiliens Zentralbank in einem kritischen Moment. Galoppierende Inflation und politische Einmischung haben die Position der Bank geschwächt. Allgemein wird erwartet, dass Goldfajn weniger anfällig für politische Einmischung ist als sein Vorgänger Alexandre Tombini, der seine Karriere in der Staatsbank gemacht hat und dem von der Regierung vorgegebenen monetären Kurs folgte.
Brasilien steckt derzeit in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Arbeitslosenquote und Inflation sind hoch, die Wirtschaft des Landes ist 2015 um fast vier Prozent eingebrochen, Staatsschulden und Haushaltsdefizit haben Rekordhöhen erreicht. Zudem lähmt der Machtkampf um das Präsidentenamt das Land seit Monaten.
Rouseff Die bisherige Staatschefin Dilma Rousseff von der linken Arbeiterpartei (PT) war vor zwei Wochen in einem verfassungsrechtlich höchst umstrittenen, politisch motivierten Amtsenthebungsverfahren vom Parlament vorläufig suspendiert worden. Ihr wird die Manipulierung des Staatshaushalts vorgeworfen.
Die Regierung von Übergangspräsident Michel Temer von der rechten Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens (PMDB) hat ein rigides Sparprogramm und Privatisierungen angekündigt, um das »Vertrauen der Märkte wiederherzustellen« und die malträtierte Wirtschaft wiederzubeleben. Kritiker befürchten hingegen einen Kahlschlag bei den zahlreichen Sozialprogrammen. Unmut rief auch hervor, dass weder Frauen noch Farbige dem neuen Kabinett »der weißen, alten Männer« angehören. Wenn auch ohne Ministerrang – der neue Zentralbankchef Ilan Goldfajn ist da keine Ausnahme.