Royals

Brachot und Sahnetörtchen

Lässt sich hochleben: Königin Elizabeth an ihrem eigentlichen Geburtstag Ende April in Windsor Foto: Reuters

Die ersten Torten bekam sie bereits. Zusätzlich gab es ein großes Bankett mit 1500 Ehrengästen. Blumen formten ihr Profil, und 1000 Feuer wurden überall im Land entzündet, bei denen sie zum Teil persönlich Hand anlegte. Die Dame, um die es geht, ist keineswegs bieder oder ihres Amtes müde. Nein – mutig, doch verhalten und elegant schreitet ihre Majestät, die Königin des Vereinigten Königreiches und des Commonwealth, Queen Elizabeth II., als royales Staatsoberhaupt durch ihre Aufgaben.

Der potenzielle Nachfolger, Sohn Charles, der Prince of Wales, hat inzwischen das Pensionsalter von 67 Jahren erreicht. Doch seine Mutter macht weiter, als seien ihre 90 Jahre nichts als eine bloße Zahl.

Pubs Die Hälfte all dieser Feierlichkeiten zu ihrem Neunzigsten liegt bereits hinter ihr, denn Ma’ams eigentlicher Geburtstag war am 21. April. Doch seit den 70er-Jahren lässt sich die Königin vom Volk an einem offiziellen Geburtstag feiern, einige Wochen später, wenn es wärmer ist. Dieses Jahr fällt der »Official Birthday« auf den 11. Juni. Die Regierung hat angeordnet, dass die Briten zwei Tage lang besonders fröhlich sein dürfen. Um dem nachzuhelfen, erlaubt eine parlamentarische Sondergenehmigung, dass die Pubs im ganzen Land diesen Freitag und Samstag sogar bis um ein Uhr morgens einschenken dürfen.

Derartige Geburtstagssausen Freitagnacht in einem Pub sind für die meisten jüdischen Bewohner der königlichen Insel ausgeschlossen. Sie werden zum Ausgleich am nächsten Morgen etwas länger in ihre Gebetbücher schauen, denn der britische Oberrabbiner Ephraim Mirvis hat die Seinen dazu aufgefordert, an jenem Schabbes ein besonderes Gebet für das betagte Staatsoberhaupt zu sprechen.

Mirvis selbst war im April zusammen mit seiner Frau Valerie zu Gast beim Geburtstagsbankett in der königlichen Residenz Windsor. Zu dieser Ehre gehörte auch eine Übernachtung im Schloss. Mirvis brachte ihrer Majestät ein handgeschriebenes, eingerahmtes, hebräisches Gebet zu ihrem Wohle mit. Außerdem hatte er im Namen der jüdischen Gemeinschaft einen Brief an die Queen geschrieben. Darin dankte er »für ihre unerschöpfliche innere Kraft« und nannte die Königin »ein echtes und herausstechendes und globales Vorbild«. Auch an diesem Wochenende wird er zusammen mit anderen Würdeträgern an einer königlichen Danksagung in London teilnehmen.

Handverlesen Die Reformrabbinerin Julia Baroness Neuberger wird an diesem Schawuot-Wochenende wie viele andere ein besonderes Gebet für die Königin lesen. Sie gehörte ebenfalls zu den handverlesenen Gästen, die im April auf Schloss Windsor eingeladen waren.

Neubergers West-Londoner Gemeinde wird der Königin eine Geburtstagskarte schreiben und die Queen an einem der Schawuot-Abende beim muslimischen Iftar, dem Fastenbrechen, gemeinsam feiern, verrät sie der Jüdischen Allgemeinen.

Obwohl Neuberger die Königin schon einige Male zuvor getroffen hatte, ist sie der Meinung, dass der Besuch im April dennoch der einprägsamste gewesen ist: »Beim Abendessen sangen wir alle ›Happy Birthday‹, und sie gab sich in exzellenter Form.« Neuberger fügt an, Königin Elizabeth sei für die jüdische Gemeinschaft eine beispielhafte Monarchin, die den Juden in Großbritannien zusammen mit ihrer Familie immense Freundschaft und Unterstützung gibt.

Alle jüdischen Gemeinden können anlässlich des Geburtstags vom Büro des Oberrabbiners ein Banner erhalten und werden aufgefordert, den Geburtstag gehörig zu feiern. In der Cockfoster-und-North-Southgate-Synagoge findet eine Straßenparty statt. In der Nordsalford-Synagoge in Manchester laden die Frauen der Gemeinde nach dem Kiddusch zur »klassischen britischen Teeparty« ein. Wie auf der Einladung zu lesen ist, »samt Sahnetörtchen und Teegebäck, Erdbeeren und Union Jacks für die Monarchin«.

Porträtfotos Doch es gibt auch andere Dinge mit jüdischer Nuance, die sich mit dem Geburtstag verbinden. So war es die berühmte Fotografin Annie Leibovitz, welche die drei neuen offiziellen Porträts ihrer Majestät, ihrer königlichen Familie und ihrer Corgie-Hunde machte. Der britischen Zeitung Daily Telegraph verriet Leibovitz, dass die Königin verärgert über den Umfang ihrer Fotoausrüstung war.

Die jüdische Komponistin Debbie Wiseman schrieb zudem die Musik für die offizielle Geburtstagsfeier. Und aus Israel kamen herzliche Glückwünsche von einem noch älteren, doch allerdings ehemaligen Staatsoberhaupt. Schimon Peres schickte der Königin seine Botschaft ganz modern, per Video.

Die britisch-jüdische Journalistin Tanya Gold schrieb im Guardian zum Neunzigsten der Königin einen langen Bericht. Darin äußerte sie sich teilweise respektvoll über Elizabeths Leistung, doch kritisierte sie die Monarchie als solche. Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen beschrieb Gold die Institution als infantil und grausam zugleich. Der Antiintellektualismus der königlichen Feiern für die Massen sei für sie unerträglich. »Ich respektiere intellektuelle Hierarchien, aber nicht vererbte«, sagte sie. Deshalb müsse das ideale Staatsoberhaupt in einer freien Demokratie »durch eine Wahl zustande kommen und nicht durch eine Monarchie, selbst mit einer Königin, die so kompetent ist wie Elizabeth II.«.

Doch mit ihrer Meinung ist Gold auf der Insel in der Minderheit. Und so werden am kommenden Wochenende in Großbritannien viele mit Hurra, Gebet und Alkohol ihre Majestät kräftig hochleben lassen, in den Synagogen des Landes sogar mit den besten Wünschen »bis 120«.

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