»Made in Israel« – eine Lüge? Ja, wenn es nach Südafrikas Handelsminister Rob Davies geht. Er kündigte Mitte Mai an, sein Land erwäge ein eigenes Label für Produkte aus dem Westjordanland. Das sind neben Obst und Olivenöl auch Softdrinks, Textilien und Kosmetika. Konzernriesen wie HeidelbergCement, Caterpillar oder Motorola wären ebenfalls betroffen.
Kurz nachdem die Debatte in Südafrika losging, äußerten Dänemark und Irland ähnliche Vorhaben. In der Schweiz will der Lebensmittelkonzern Migros Produkte aus den besetzten Gebieten ab 2013 kennzeichnen.
Verurteilung Von der jüdischen Gemeinde in Südafrika erntete der Minister teils heftige Kritik. Doch weniger für das neue Etikett an sich, als vielmehr für seine grobe Entscheidung. Die beiden großen jüdischen Organisationen des Landes, das Jewish Board of Deputies und die Zionistische Föderation Südafrika, verurteilten Davies wegen seiner Weisung, die ihrer Ansicht nach von oben herab kam. Der Minister habe weder eine jüdische Gruppe um ihre Meinung gefragt, noch erklärt, wie die Regierung dazu stehe.
Ein »Made in West Bank«-Label störe sie weniger als der ganze Prozess, erklärt David Jacobson, Direktor des Jewish Board of Deputies, im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Er ist erschüttert, wie ein wirtschaftlicher Schritt so sehr politisiert werden konnte. »Es ist gut, dass die Leute wissen, woher die Produkte stammen. Aber dann müsste man das auf alle Produkte in Südafrika anwenden.« Bei der jüdischen Gemeinde in Kapstadt hat Jacobson Zorn, Besorgnis und Enttäuschung beobachtet. Nun erwägt das Board, Davies vor Gericht zu bringen und den Vorschlag auf seine Legitimität zu prüfen. Bis Juli können Zivilgruppen dagegen Beschwerde einlegen.
Irritationen Der Großteil der jüdischen Südafrikaner übt Solidarität mit Israel, doch die diplomatischen Beziehungen kränkeln in letzter Zeit. Anfang Mai sagte Südafrikas Agrarminister seine Reise nach Israel in letzter Minute ab. Eine offizielle Begründung blieb aus. Die Entscheidung löste diplomatische Irritationen aus.
Nach der jüngsten Aufregung um die Produktkennzeichnung bestellte das israelische Außenministerium den südafrikanischen Botschafter ein. Das schlimmste anzunehmende Ende dieses Konflikts wäre laut Jacobson, wenn die Länder ihre Botschafter zurückriefen. Der wirtschaftliche Schaden sei »vernachlässigbar«. Doch Jacobson warnt vor einem offenen Messer, in das Südafrika laufe: die Streichung der Entwicklungszusammenarbeit. Israel und Südafrika teilten mit Wassermangel dieselbe Ausgangssituation. »Im Gegensatz zu Südafrika ist Israel aber ein hoch technisiertes Land und Vorreiter in Ernährungssicherheit. Es wäre schade, ließe sich Südafrika eine Chance entgehen.«
Lobby Südafrika hat sich in der Vergangenheit schon häufiger mit den Palästinensern verbündet und nicht selten den Groll Israels auf sich gezogen. Offiziell plädiert Südafrika für zwei getrennte Staaten. In den vergangenen Jahren entstand eine Lobby für Palästina, die unter anderem die jährliche Israeli Apartheid Week organisiert. Die Gruppe ist klein, doch sie hat Einfluss. Erzbischof Desmond Tutu ist Unterstützer der Kampagne »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS).
Dass Südafrika, »ein Land, das so lange unter Rassismus gelitten hat«, seit Jahren anti-israelisch eingestellt sei, darüber klagt Israels Außenminister Avigdor Lieberman. Amnesty International hingegen feierte Südafrikas Schritt als Sieg der Menschenrechte. An den Haaren herbeigezogen sind für Jacobson beide Vergleiche.
»Mit Rassismus und Menschenrechten hat das nichts zu tun. Wer ein Produkt aus dem Westjordanland ablehnt, hat keine Skrupel, ins nächste Geschäft zu gehen und dasselbe Produkt aus chinesischer Kinderarbeit zu kaufen. Das ist kein Konsumentenschutz, sondern Politik.«