Zwei weitere Personalien in der Regierungsmannschaft von US-Präsident Joe Biden sorgen für Aufsehen im amerikanisch-jüdischen Umfeld. Da ist zum einen die Ernennung von Deborah Lipstadt zur Antisemitismusbeauftragten des US-Außenministeriums. Nach Angaben des Weißen Hauses soll Lipstadt als spezielle Gesandte im Range einer Botschafterin Antisemitismus »beobachten und bekämpfen«. Dafür hätte Joe Biden kaum eine besser geeignete Person finden können.
Die 74-Jährige, Tochter einer ursprünglich kanadischen Mutter und eines aus Deutschland gebürtigen Vaters, ist eine der international renommiertesten Holocaust-Forscherinnen. Durch ihren Prozessauftritt gegen den notorischen Schoa-Leugner David Irving wurde sie über die Grenzen der Wissenschaft hinaus bekannt.
verfahren Der Brite hatte sie seinerzeit verklagt, weil Lipstadt ihm genau diese Leugnung vorgeworfen hatte. Das Verfahren vor einem britischen Gericht verlor Irving krachend. Aus dem Ereignis wurde Lipstadts Bestseller History on Trial: My Day in Court with a Holocaust Denier (Geschichte auf der Anklagebank: Mein Tag vor Gericht mit einem Holocaustleugner). 2016 wurde der Prozess verfilmt. Rachel Weisz übernahm die Rolle der Deborah Lipstadt.
Die 74-Jährige, Tochter einer ursprünglich kanadischen Mutter und eines aus Deutschland gebürtigen Vaters, ist eine der international renommiertesten Holocaust-Forscherinnen.
Auf Deutsch erschien 2020 bei Piper ihr aktuelles Buch Antisemitismus heute: Wie Hass und Vorurteile global erstarken. 2018 erhielt Lipstadt den Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik der Stadt Oldenburg. Die Jury begründete das damals so: »Deborah Lipstadt setzt sich konsequent und unerschrocken für die historische Wahrheit und die Menschenwürde ein.«
Das tut die vielfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin auch mit geschärftem Blick für aktuelle Entwicklungen – ohne Rücksicht auf Tabus oder politische Korrektheit. Scharf attackierte sie etwa den deutschen Historiker Ernst Nolte, Urheber des »Historikerstreits«, für seine »sanfte Leugnung« der Schoa. 2003 sagte sie in einem Interview mit dem Jerusalem Center for Public Affairs: »Historiker wie der Deutsche Ernst Nolte sind in gewisser Weise noch gefährlicher als die Leugner. Nolte ist ein Antisemit allererster Güte, der versucht, Hitler dadurch zu rehabilitieren, dass er sagt, er sei nicht schlimmer als Stalin; aber er ist sehr bedacht darauf, nicht den Holocaust zu leugnen. Holocaust-Leugner machen Nolte das Leben leichter. Sie haben mit ihrer radikalen Argumentation das politische Zentrum etwas zu sich herangezogen. Daraus folgt, dass ein weniger radikaler Extremist wie Nolte sich näher an der Mitte wiederfindet, was ihn gefährlicher macht.«
MUSLIME Auch mit dem zwiespältigen Verhältnis vieler muslimischer Verbände zur Schoa ging sie hart ins Gericht. Dem Muslim Council of Britain etwa schrieb sie ins Stammbuch: »Wenn Gruppen sich weigern, den Holocaust Memorial Day zu begehen, sofern antimuslimischen Vorurteilen nicht derselbe Raum eingeräumt wird, ist das sanfte ›Leugnung‹.«
Und 2020 verglich sie die Politik der Trump-Regierung mit den 30er-Jahren in Deutschland. Holocaust-Analogien verböten sich, so Lipstadt, aber sie könne »in den Attacken auf die Presse, die Gerichte, akademische Einrichtungen, gewählte Volksvertreter und, am beängstigendsten, den Wahlprozess« Parallelen zum Aufstieg der Nazis erkennen.
Mutig, wenn auch kontroverser ist eine andere Entscheidung von Joe Biden. Sie betrifft Rabbinerin Sharon Kleinbaum.
Die Wahl Lipstadts macht Mut. Mutig, wenn auch kontroverser ist eine andere Entscheidung von Joe Biden. Sie betrifft Rabbinerin Sharon Kleinbaum (62), die seit 1992 in der New Yorker Gemeinde Beth Simchat Torah amtiert. Die Rabbinerin und LGBTQ-Aktivistin ist Unterstützerin der linken Gruppe J Street, die sich zwar als pro Israel bezeichnet, in den Augen vieler Israelfreunde aber der sogenannten Israelkritik nahesteht.
Verunglimpfungen rechter Politiker, Kleinbaum sei eine »Antisemitin«, wurden von der Menschenrechtsgruppe Anti-Defamation League jedoch scharf kritisiert. Kleinbaum soll künftig der »US Commission on International Religious Freedom« angehören und religiöse Freiheit weltweit unterstützen.