Eine Ära geht zu Ende. Es ist die Ära des Multimilliardärs Michael Bloomberg, der die Riesenstadt New York drei Amtszeiten lang – von 2001 bis zum Ende dieses Jahres – regiert haben wird. Wie soll man seine Regierungszeit beschreiben? Am besten trifft es ein Ausdruck, der eigentlich überhaupt nicht in die politische Landschaft Amerikas passt: aufgeklärter Absolutismus.
Rauchverbot Bloomberg – der Politik sozusagen als Hobby betrieb – regierte New York wie ein milder Landesfürst, der gewillt ist, alles für das Volk zu tun, im Zweifel aber besser als dieses selbst weiß, was für es gut ist. Ein besonders schönes Beispiel für den aufgeklärten Bloombergismus ist das von ihm durchgesetzte Rauchverbot (das mittlerweile sogar im Central Park gilt). Als der Bürgermeister das Thema vor zehn Jahren auf die Tagesordnung setzte, war es alles andere als populär.
Erstens schien die Stadt andere Sorgen zu haben: Da, wo bis zum 11. September die Zwillingstürme gestanden hatten, klaffte immer noch eine offene Wunde im Erdreich, außerdem herrschte gerade Ebbe in der Stadtkasse.
Zweitens schien das Rauchverbot gegen elementare Regeln des amerikanischen Laissez-faire-Kapitalismus zu verstoßen – bitte, warum sollten Kneipen nicht das Recht haben, ein Schild nach draußen zu hängen, auf dem steht »Smokers welcome«? Bloomberg ließ sich aber von einem Arzt beraten, der ihm sagte, ein Rauchverbot werde jedes Jahr Tausende Menschenleben retten. Damit war die Sache für ihn erledigt; mittlerweile ist sein Rauchverbot zum weltweiten Standard avanciert.
Dass dieser aufgeklärte Fürst ein Jude ist – wie übrigens 20 Prozent der New Yorker –, war eher selten ein Thema. Gewiss: Chanukka tourte er durch die Bezirke, um hier und dort Lichter zu zünden. Außerdem stellte er sich 2006 (Krieg gegen die Hisbollah) und 2008 (Krieg gegen die Hamas) eindeutig an die Seite Israels.
2009 besuchte Michael Bloomberg die israelische Stadt Aschkelon, wies darauf hin, dass auch New York Opfer von Terroristen geworden sei, und sagte, selbstverständlich habe Israel das Recht, sich mit Waffengewalt gegen Angriffe zu wehren. Aber das ist in New York – und in Amerika – nichts Ungewöhnliches; das hätte jeder nichtjüdische Politiker an seiner Stelle ebenso gesagt.
Nachfolge Am 5. November wird Bloombergs Nachfolger gewählt: Es soll Leute geben, die seinem aufgeklärten Absolutismus prophylaktisch schon jetzt hinterhertrauern. Die Vorwahlen endeten nämlich mit einer großen Überraschung. Die Kandidatin der Demokratischen Partei wurde keineswegs Christine Quinn – womit die meisten gerechnet hatten.
Quinn ist eine Frau, die in der Vergangenheit eng mit Bloomberg zusammengearbeitet hatte, eine Kandidatin der Mitte, der jede klassenkämpferische Rhetorik fern liegt. Aber sie wurde aus dem Rennen geworfen, und der Kandidat der Demokraten heißt nun Bill de Blasio. Ein überzeugter Linker, der klagt, New York sei eine Hochburg der Reichen geworden und möchte viele von Bloombergs Reformen – etwa die umstrittene Maßnahme des »stop and frisk«, des »Anhaltens und Filzens« Verdächtiger auf der Straße – wieder rückgängig machen.
Bill de Blasio Mehr als 40 Prozent der Stimmen hat Bill de Blasio in den Vorwahlen errungen; und unter den Juden soll sein Stimmanteil nur wenig geringer gewesen sein: 39 Prozent. In gewisser Weise bleibt eben wahr, was Milton Himmelfarb einst über die amerikanischen Juden gesagt hat: »Sie verdienen wie die Angehörigen der Episkopalkirche und wählen wie die Puerto-Ricaner.«
Der Kandidat der Republikanischen Partei heißt Joe Lhota. Unter dem legendären Bürgermeister Rudy Giuliani war er dessen Mann für die Finanzen, später war er der Manager der MTA, die für den öffentlichen Personennahverkehr zuständig ist. Lhota hat eine jüdische Großmutter auf der richtigen, der mütterlichen Seite der Familie, aber aufgewachsen ist er als Katholik, und er fühlt sich auch als Christ. Gleichzeitig versucht er natürlich, die Gunst der jüdischen Wähler zu gewinnen.
Vor Kurzem wurde er im »Gourmet Glatt« gesichtet, einem Supermarkt im ultrafrommen Viertel Borough Park. Er ließ sich erklären, warum manche Gemüse als koscher gelten und andere nicht (Antwort: Insekten). Begleitet wurde er von Michael Fragin, einem Politikberater, der schon für Bloomberg die Beziehungen zur jüdischen Gemeinschaft gemanagt hat.
Joe Lhota Seine jüdische Herkunft machte Joe Lhota nicht zum Thema, stattdessen hörte er den Leuten zu, wenn sie von ihren Sorgen berichteten. Am Schluss sagte er: »Viele kleine Geschäfte – und sogar ein paar große – fühlen sich von der Stadt New York belästigt.« Wenn etwa dauernd Gesundheitsinspekteure vorbeischauten, dann sei das Belästigung. »Es geht dann nur noch darum, Einkommen für die Stadt zu generieren, und das sollte nicht sein. Wir sollten unsere behördlichen Regeln haben, um das Verhalten der Leute zu ändern, aber nicht als Mittel, um die Bilanzen der Stadt auszugleichen.«
Wie die Wahlen am Dienstag ausgehen werden, ist offen. New York gilt zwar als linksliberales Pflaster, trotzdem haben es immer wieder Republikaner geschafft, ins höchste Amt dieser Stadt aufzusteigen (Bloomberg etwa gehörte anfangs der Republikanischen Partei an, erst später trat er aus).
präsident Und das oben zitierte Bonmot des Milton Himmelfarb, dass Juden wie Puerto-Ricaner wählen, gilt eben keineswegs für alle. Gerade in frommen Vierteln wie Borough Park sind auch viele eingetragene Republikaner zu Hause. Außerdem: Manche Juden, die sich in ihrem unmittelbaren Umfeld für den demokratischen Kandidaten entscheiden, ziehen dann doch lieber den rechten Hebel, wenn es um den Bürgermeister geht. Schließlich ist die Frage, wer in New York im Rathaus die Geschicke der Stadt leitet, erheblich wichtiger als die Frage, wer im fernen Washington als Präsident seine Reden schwingt. Jedenfalls für Leute, die in dieser Acht-Millionen-Metropole leben.
Bei dieser Wahl werden also nun zwei Leute gegeneinander antreten, deren Visionen sich im Hinblick auf New York deutlich voneinander unterscheiden. Hier der linke Bill de Blasio, der sich als Anwalt der Armen und der Minderheiten begreift; dort der fiskalische Konservative Joe Lhota, der die Stadt als Geschäft versteht, als Unternehmen, das rentabel geführt werden muss. Es ist gut, dass die Visionen der beiden Kandidaten sich so klar voneinander unterscheiden. Denn New York steht an einem Scheideweg; da sollten die Wegweiser deutlich beschriftet sein.