Als die Vorwahlen der Demokraten entschieden waren, hatte sich Bernie Sanders klar hinter Joe Biden gestellt – wohl auch in der Hoffnung, bei dessen Einzug ins Weiße Haus zumindest Teil eines neuen Kabinetts zu werden. Ob es dazu kommt, bleibt aber abzuwarten. Denn Biden muss bei der Aufstellung seines Teams nicht nur die Wünsche seiner Partei berücksichtigen, sondern auch die politischen Realitäten im Senat.
Sanders, der sich zunächst selbst um die demokratische Präsidentschaftskandidatur beworben hatte, ist laut eigenen Angaben weiterhin interessiert, in der künftigen amerikanischen Regierung einen Ministerposten zu übernehmen. Inzwischen geben aber auch enge Verbündete offen zu bedenken, dass die Hürden hoch wären. Zähneknirschend haben Anführer des progressiven Lagers der Partei begonnen, einige weniger kontroverse Alternativen ins Spiel zu bringen.
Sanders, der sich selbst als einen demokratischen Sozialisten bezeichnet, bekräftigte am Donnerstag seinen Wunsch, unter Biden als Arbeitsminister zu dienen – und mahnte den gewählten Präsidenten, die progressiven Kräfte bei der Postenvergabe nicht zu übergehen.
»Es erscheint mir ziemlich eindeutig, dass progressive Positionen innerhalb einer Biden-Regierung zum Ausdruck gebracht werden müssen«, sagte Sanders. »Es wäre sehr kränkend, wenn Biden etwa ein »Team der Rivalen« zusammenstellen würde – und es gibt einige Diskussionen, dass er genau das vorhat.« Gemeint ist ein Kabinett, bei dem neben konservativen Demokraten auch einige Republikaner zum Zuge kämen, nicht aber linke Demokraten. »Ich denke, das wäre sehr, sehr unglücklich«, betonte Sanders.
Biden steht bei seinen bevorstehenden Personal-Entscheidungen also unter enormem Druck. Egal, wen er für die besonders wichtigen Ämter aufstellen wird – er wird in jedem Fall wohl mit heftiger Kritik rechnen müssen. Als kleines Zugeständnis an die linken Kräfte hat Bidens Übergangsteam die Sanders-Beraterin Analilia Mejia engagiert. Es ist aber kaum davon auszugehen, dass sich das linke Lager mit Posten auf mittlerer Ebene während der Übergangsphase zufrieden geben wird.
Biden sagte am Donnerstag vor Reportern, dass er sich bezüglich des Finanzminister-Postens entschieden habe – die Person seiner Wahl werde »von allen Teilen der Demokratischen Partei, von Moderaten wie von Progressiven« akzeptiert werden. Als er, während er die Bühne bereits verließ, gefragt wurde, ob er Sanders in sein Kabinett berufen wolle, reagierte er ausweichend.
Sofern es im Senat bei der hauchdünnen republikanischen Mehrheit bleibt, könnte es für Biden schwierig werden, ganz ohne Rücksicht auf die gegnerische Partei zu regieren. Deswegen scheinen sich einige progressive Demokraten bereits damit abgefunden zu haben, dass Sanders, der derzeit Mitglied des Senats ist, auch ebendort bleiben wird.
»Nicht jedes einzelne Mitglied der Regierung wird progressiv sein – das ist nicht das, wofür Joe Biden steht«, sagt Waleed Shahid, ein Sprecher der mit Sanders verbundenen Gruppe Justice Democrats. Die Progressiven würden lediglich eine »angemessene Repräsentation« im Kabinett erwarten. »Wir plädieren dafür, dass sie aufgenommen werden, wir haben aber auch Back-up-Optionen«, fügt er mit Blick auf Sanders hinzu.
Tatsächlich haben liberale Gruppen inzwischen auch einige weniger prominente Kandidaten ins Spiel gebracht – etwa Andy Levin, Abgeordneter aus dem US-Staat Michigan, für den Posten des Arbeitsministers und die ehemalige US-Notenbankchefin Janet Yellen als Finanzministerin. Mit ihnen würde ein weiterer Nachteil vermieden: Sanders und Warren müssten bei Eintritt in die Regierung ihre Sitze im Senat aufgeben; bis zu entsprechenden Nachwahlen könnten in beiden Fällen republikanische Gouverneure eine zumindest vorübergehende Ersatzperson bestimmen.
In dem für die Demokraten günstigsten Fall könnten beide Parteien über genau 50 Senatssitze verfügen, wenn im Januar der neue Kongress vereidigt wird. Die gewählte Vizepräsidentin Kamala Harris wäre dann in der Lage, mit ihrer Stimme den Ausschlag zu geben. Dafür müssten sich die Demokraten aber bei zwei Nachwahlen in Georgia am 5. Januar in beiden Fällen durchsetzen. Ansonsten würden die Republikaner im Senat die Mehrheit behalten. Und damit hätten sie ein enormes Druckmittel. Denn Minister müssen in den USA vom Senat bestätigt werden.
Biden erhält derweil auch von vielen Unterstützern, zu denen sogar einige Republikaner zählen, die klare Ansage, sich nicht allzu weit von der politischen Mitte wegzubewegen. Sanders ins Kabinett zu holen, entspräche nicht dem »Führungsstil, für den das amerikanische Volk gerade gestimmt« habe, sagt Jennifer Horn, Mitgründerin der Trump-kritischen republikanischen Gruppe Lincoln Project. »Ich denke, Joe Biden versteht das.« dpa