Eine Grundsteinlegung, danach lange Zeit nichts: Von außen betrachtet sind die ersten vier Jahre Baugeschichte der geplanten Synagoge in Kaliningrad schnell erzählt. Ein Zirkus machte der jüdischen Gemeinde im ehemals ostpreußischen Königsberg den historischen Platz im Zentrum streitig, an dem bis zur Pogromnacht von 1938 die Neue Synagoge stand. Erst nach einem Gerichtsprozess kam diesen Sommer die lang ersehnte Baugenehmigung für die erste Synagoge für rund 2000 Juden in Kaliningrad.
Einmal fertiggestellt, soll das Bethaus wieder den Namen seines 1896 vom Berliner Architektenbüro Cremer & Wolffenstein errichteten Vorgängerbaus erhalten. Nicht nur dies: »Auch die Fassade soll so weit wie irgend möglich der historischen Synagoge entsprechen«, erklärt die Kaliningrader Architektin Natalia Lorenz, für die das Projekt ihr erster Synagogenbau ist. »Es handelt sich aber um keine reine Rekonstruktion, das Innere wird neu gestaltet.«
Zeitzeugen Doch bereits die Rekonstruktion der Fassade stellt eine Herausforderung dar. Königsberg, vor dem Zweiten Weltkrieg nach Berlin und Breslau die Stadt mit der drittgrößten jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, wechselte nach 1945 durch Flucht und Vertreibung praktisch seine komplette Bevölkerung. Die heute in Kaliningrad ansässigen Juden wurden aus verschiedenen Teilen der Sowjetunion in der Stadt am Pregel angesiedelt, ein organisiertes Gemeindeleben war in sowjetischer Zeit nicht möglich. Die heutigen Bauherren suchen daher nach Zeitzeugen und Dokumenten, die mehr über die Gestalt der alten Neuen Synagoge erzählen.
Mit der Recherche in deutschen Archiven befasst sich die Kaliningraderin Julia Oisboit, die als junge Frau vier Jahre in Wien studierte und dort Deutsch lernte. Heute arbeitet sie als Freiwillige bei der Stiftung EZRA, die den Synagogenbau vorantreibt. »Das Kaliningrader Zentrum hat sich in den vergangenen zehn Jahren sehr gewandelt«, berichtet Oisboit.
Die bis auf wenige Ausnahmen im Krieg vollständig zerstörte Stadt war lange von Plattenbauten im sowjetischen Stil geprägt. Einzig die erhalten gebliebene Domruine mit dem Grabmal des Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724–1804) wurde bereits zu Beginn der 90er-Jahre wiederaufgebaut. In jüngerer Zeit entstand am Pregelufer mit dem Fischerdorf ein Stadtviertel im historisierenden Stil.
Finanzierung Der Synagogenbau fügt sich ein in diese Wiederentdeckung der Geschichte. Finanzielle Unterstützung von der Stadt gibt es deshalb aber nicht. »Der gesamte Bau wird von einem Kaliningrader Geschäftsmann finanziert«, so Oisboit. Doch auch wenn der Bauprozess langsam und mühselig ist – für die jüdische Gemeinschaft in Kaliningrad sei er wichtig: »Wir sehen die jüdische Geschichte der Region als unser Erbe an, also müssen wir es erhalten.«
Das Fundament der Synagoge ist in diesem Sommer gelegt worden, der Bau geht voran. Architektin Natalia Lorenz wünscht sich einen Abschluss der Bauarbeiten in spätestens zweieinhalb Jahren: »Dann ist Kaliningrad einer der Austragungsorte der Fußball-WM.« Das Stadion, in dem 2018 drei Vorrundenspiele stattfinden sollen, befindet sich derzeit ebenfalls noch im Bau. Es liegt auf der Pregel-Insel Lomse, nur wenige Hundert Meter von der Neuen Synagoge entfernt.