USA

Ben Bat Ban

Noach Dzmura ist ein beleibter Mann mit hellbraunem Bart, tanzenden Augen und einem ansteckenden Lachen. Er hat einen Magister in Judaistik, veröffentlicht viel über jüdische Themen und ist der Kommunikationsleiter seiner Synagoge in San Francisco.

Noach Dzmura wurde als Frau geboren. Der heute 48-Jährige gehört zur wachsenden Zahl transsexueller Juden, die sich nicht verstecken, in der Synagoge Führungsaufgaben übernehmen und versuchen, in der jüdischen Gemeinschaft für all jene, die aus der Standarddefinition von Frau und Mann herausfallen, einen Platz zu finden. Leicht sei das nicht, sagt Dzmura. »Früher haben sich Transsexuelle nicht zu erkennen gegeben und sich ihrer Umgebung angepasst. Oder sie entschieden sich dafür, überhaupt nicht am jüdischen Gemeindeleben teilzunehmen.«

Identität Transsexuelle Menschen identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, mit dem sie geboren werden. Einige unterziehen sich einem chirurgischen Eingriff, um ihre äußerlichen Geschlechtsorgane mit ihrer gefühlten Identität in Einklang zu bringen, doch die überwiegende Mehrheit geht nicht so weit. Einige nehmen Hormontabletten ein, um die Ausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale zu begünstigen. Andere leben einfach als das andere Geschlecht und ändern Kleidung sowie Haarschnitt. Wieder andere identifizieren sich weder als Mann noch als Frau.

Über die Zahl transsexueller Juden gibt es keine gesicherten Angaben. Rabbi Reuben Zellman, 32, der von einer Frau zu einem Mann wurde, bevor er an einer rabbinischen Schule der Reform-Bewegung angenommen wurde, ist heute Assistenzrabbiner der Beth-El-Gemeinde in Berkeley. Hunderte transsexueller Juden aus dem ganzen Land hätten mit ihm Kontakt aufgenommen und ihn um Rat gebeten, sagt er.

Zellman änderte seinen hebräischen Namen von Hannah Yoninah in das maskuline Hananya Yona, als er vor zehn Jahren begann, als Mann zu leben. Er habe mit mehr als 150 Menschen gearbeitet, die ihren hebräischen Namen so verändern wollen, dass er ihre andere Geschlechtsidentität widerspiegelt. »Manche Leute kombinieren ›Ben‹ und ›Bat‹ und erhalten ›Ban‹«, erzählt er in Bezug auf den Brauch, ein Kind »Sohn von ...« oder »Tochter von ...« zu nennen. Andere Varianten sind »MiBet«, das heißt »aus dem Haus von ...« oder »Mimischpachat«, »aus der Familie von ...«.

Gebetsgruppe Der Großraum San Francisco zieht viele transsexuelle Juden an. Genaue Zahlen dazu sind jedoch nicht zu haben. Dzmura, der eine Gebetsgruppe für rund ein Dutzend transsexueller Juden leitet, sagt, normalerweise nähmen 40 bis 100 Personen an den transsexuellen Schabbatprogrammen teil.

Die jüdische Tradition ist nicht sehr wohlwollend eingestellt gegenüber Menschen, die die allgemein anerkannten Grenzen zwischen den Geschlechtern übertreten. Obwohl Mischna und Talmud über den rechtlichen Status von Individuen diskutieren, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, akzeptiert die religiöse Gemeinde Transsexualität nicht, im Gegensatz zur Intersexualität jener, deren Geschlecht bei der Geburt nicht eindeutig zuzuordnen ist.

Als Joy Ladin – früher Jay Ladin – nach ihrer Geschlechtsumwandlung im September 2008 zu ihrer Arbeit als Englischprofessorin am orthodoxen Stern College for Women an der New Yorker Yeshiva University zurückkehrte, sagte ihr Fakultätskollege Rabbi Moshe Tendler der New York Post: »Dieser Mensch repräsentiert eine Art von Amoralität, die allem, wofür die Yeshiva University steht, zuwiderläuft. Das jüdische Gesetz hat keinen Platz für Transsexuelle.«

Dzmura, Zellman und ihre Mitstreiter wollen erreichen, dass die nächste Generation transsexueller Juden sich im jüdischen Gemeindeleben engagiert, statt es zu meiden. Die Ziele, die sie sich setzen, reichen von ganz banalen Dingen bis hin zu Fragen des Rituals und des Glaubens. Sie wollen jüdische Institutionen dazu bringen, Toiletten zur Verfügung zu stellen, die nicht nach Geschlechtern getrennt sind, was es bislang nur selten gibt.

Mikwe Rituale, bei denen der Körper unverhüllt ist, wie die Mikwe, das rituelle Bad, oder die Vorbereitung des Leichnams für die Beerdigung, stellen die größten Herausforderungen dar. Dzmura, der vor ein paar Jahre nach seiner Geschlechtsumwandlung zum Judentum konvertierte, erinnert sich daran, wie viel Angst er hatte, während der Konversionszeremonie aus der orthodoxen Mikwe geworfen zu werden, sollte jemand seinen nackten Körper sehen und feststellen, dass ihm ein wichtiger Teil zum Mannsein fehlte.

Ungeklärt ist auch die Frage, wie Transsexuelle bestattet werden sollen. Die Mitglieder der Tahara-Komitees, die einen jüdischen Toten für die Beerdigung waschen und herrichten, müssen das gleiche Geschlecht haben wie der oder die Verstorbene. Die Kleidung für die Toten und die Art und Weise, wie der Knoten des Hemds geknüpft wird, unterscheidet sich ebenfalls für Männer und Frauen. Tahara-Komitees in den USA würden sich immer öfter mit dem Problem konfrontiert sehen, sagt Dzmura, und es gibt keinerlei Richtlinien, die ihnen dabei helfen könnten.

Während immer mehr transsexuelle Juden offen leben und sich am jüdischen Leben beteiligen wollen, wächst landesweit auch die Anzahl von Organisationen, die ihnen helfen. Zwei davon sind im Großraum San Francisco angesiedelt: Hinter JewishTransitions.org steht Noach Dzmura, und TransTorah.org wird von einer Gruppe örtlicher Rabbiner und Gelehrter organisiert, zu denen auch Reuben Zellman gehört. Hilfesuchende können sich anonym an diese Institutionen wenden.

»Besonders in orthodoxen und chassidischen Gemeinden gibt es Menschen, von denen keiner weiß, dass sie transsexuell sind«, so Zellman. »Ich arbeite mit Menschen, die sehr gelitten haben, weil sie vom jüdischen Leben ausgeschlossen wurden«, sagt Zellman. »Die Vorstellung, die jüdischen Rituale auszuweiten, überfordert viele Menschen oder schüchtert sie ein. Dabei ist es gar nicht so schwer.«

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025

Griechenland

Restauration des Grauens

In Thessaloniki werden zwei Eisenbahnwaggons aus der Nazizeit restauriert. Zur Erinnerung daran, was 50.000 Menschen angetan wurde

von Wassilis Aswestopoulos  24.04.2025

Tod von Papst Franziskus

Warum Israels Regierung nicht kondoliert hat

Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  23.04.2025