Frankreich

Bann nach 344 Jahren aufgehoben

Rathaus von Glatigny Foto: Google Street View

Raphael Levy hätte sein Leben durch Taufe retten können. Dem wohlhabenden Viehhändler aus Boulay in der französischen Provinz Lorraine wurde vorgeworfen, das drei Jahre alte Christenkind Didier Le Moyne aus Glatigny für rituelle Zwecke ermordet zu haben. Am 17. Januar 1670 ist er gewürgt und dann auf dem Scheiterhaufen in der Stadt Metz öffentlich verbrannt worden.

Wie der israelische Rundfunk am Dienstag berichtete, habe die Ortschaft Glatigny, aus der das vermeintlich von Levy ermordete Kind stammte, einen Bann gegen Juden verhängt. 344 Jahre lang war es Juden verboten, Glatigny zu betreten. Dieser Bann sei bis heute strikt eingehalten worden.

Neubeginn Nun hat Glatignys Bürgermeister Victor Stallone in Anwesenheit von 100 Gästen, darunter Vertretern jüdischer Gemeinden, eine Tafel zum Gedenken an den unschuldig hingerichteten Raphael Levy enthüllt und erklärt: »Glatigny war verwünscht, wegen des grundsätzlichen Bannes gegen Juden«. Das habe der Ortschaft schweren Schaden beigefügt. »Heute stehen wir an einem Neubeginn. Wir sind versöhnt und erneuern normale Beziehungen mit der jüdischen Gemeinschaft«.

Auf der Tafel mit dem Wappen von Glatigny und einem Davidstern heißt es: »Zum Gedenken an Rafael Levy, dem jüdischen Märtyrer von Boulay, lebendig in Metz am 17. Januar 1670 verbrannt, für ein Verbrechen an dem Kind aus Glatigny, Didier Lemoine, das er nie begangen hat.«

Henry Schumann vom Verband jüdischer Gemeinden in Frankreich sagte der Zeitung Le Figaro, dass die Juden ihrerseits das Dorf Glatigny für »verflucht« erklärt hätten. Ihren Gemeindemitgliedern sei empfohlen worden, keinen Fuß in das Dorf zu setzen. Der französische Historiker Pierre Birnbaum hat auch diesen Fall einer typischen »Blutlegende« untersucht und 2012 in einem Buch festgestellt, dass Raphael Levy unschuldig war.

Guatemala

Rund 160 Kinder vor ultraorthodoxer Sekte gerettet

Laut Behördenangaben wurden auf dem Gelände von »Lev Tahor« mutmaßliche sterbliche Überreste eines Kindes gefunden

 22.12.2024

Analyse

Putins antisemitische Fantasien

Der russische Präsident ist enttäuscht von der jüdischen Diaspora im Westen und von Israel

von Alexander Friedman  22.12.2024

Diplomatie

Israel und Irland: Das Tischtuch ist zerschnitten

Politiker beider Länder überhäufen sich mit Vorwürfen. Wie konnte es so weit kommen?

von Michael Thaidigsmann  18.12.2024

Paris

Phantom einer untergegangenen Welt

Eine neue Ausstellung widmet sich der Geschichte und Rezeption des Dibbuks

von Sibylle Korte  18.12.2024

Bern

Schweiz will mit neuem Gesetz gegen Nazi-Symbole vorgehen

In der Schweiz wurde ein Anstieg von antisemitischen Vorfällen beobachtet. Nun soll es einfacher werden, das öffentliche Zeigen von NS-Symbolen zu bestrafen

von Albert Otti  16.12.2024

Spanien

»Mango«-Gründer Isak Andic stirbt bei Bergunfall

Andic galt als einer der reichsten Männer Spaniens

 15.12.2024

Amsterdam

Spätherbst in Mokum

Einen Monat nach der Hetzjagd auf israelische Fußballfans diskutieren die Niederlande über Antisemitismus. In der jüdischen Gemeinschaft bleibt eine fundamentale Unsicherheit

von Tobias Müller  12.12.2024

Schweiz

Fünf Übergriffe auf Juden an einem Wochenende in Zürich

Die jüdische Gemeinschaft der Schweiz ist zunehmend verunsichert - der Antisemitismus hat ein Allzeithoch erreicht

 11.12.2024

Osteuropa

Der Zauber von Lublin

Isaac Bashevis Singer machte die polnische Stadt im Roman weltberühmt – jetzt entdeckt sie ihr jüdisches Erbe und bezieht es in die Vorbereitungen auf das Europäische Kulturhauptstadtjahr 2029 mit ein

von Dorothee Baer-Bogenschütz  10.12.2024