Alija, das Recht eines jeden Juden, nach Israel auszuwandern, gilt auch in den Zeiten von Corona – und ist für eine wachsende Zahl von Juden ganz aktuell.
Denn neben dem zunehmend aggressiven Antisemitismus etwa in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich wird auch die teilweise irrlichternde Politik im Umgang mit dem Sars-CoV-2-Virus durch Politiker wie Donald Trump oder Boris Johnson zum Hauptgrund, sich für eine Auswanderung nach Israel zu entscheiden.
MINISTERIN Israels frisch gekürte Ministerin für Einwanderung und Integration, Pnina Tamano-Shata, rechnet mit 50.000 bis 100.000 zusätzlichen Olim im Zuge von Corona. Für die 39-jährige Politikerin und gelernte Journalistin von Benny Gantz’ Bündnis Blau-Weiß ist die Alija eine echte Herzenssache: Sie ist die erste Äthiopierin, die es in Israel zur Abgeordneten und zur Ministerin gebracht hat.
Als sie am 17. Mai ihr Amt antrat, erklärte sie: »Das sind emotionale Zeiten für mich. Auf der einen Seite fühle ich, dass ein Lebensabschnitt zu Ende geht, andererseits beginnt jetzt ein neues Kapitel. Mit dabei ist heute dieses dreijährige Mädchen, das barfuß nach Israel kam, ohne Mutter – und nach einem langen, beschwerlichen Weg. Ich erinnere mich gut an die schwierigen Momente und Jahre im Integrationszentrum. Es ist fantastisch, dass dieses Mädchen sich durchgesetzt hat und jetzt Ministerin in der israelischen Regierung wird.«
EXISTENZSORGEN So romantisch und idealistisch sind die aktuellen Beweggründe der Alija-Willigen durchaus nicht immer. Viele Interessenten treiben – neben dem Antisemitismus – wirtschaftliche Not und andere existenzielle Sorgen aus ihren bisherigen Heimatländern. Allein im April stellten 455 Amerikaner ihren Antrag auf Alija; 650 weitere luden die dafür notwendigen Formulare aus dem Internet herunter.
Wer in diesen Tagen Alija macht, muss nach der Einreise in Israel eine zweiwöchige Quarantäne auf sich nehmen, so wie die 18-köpfige Gruppe aus den USA, die am 15. Mai auf dem Flughafen in Tel Aviv ankam. Die ein- bis 66-Jährigen sind Teil einer Einwanderungsgruppe der Organisation »Nefesh B’Nefesh«, die die Alija gemeinsam mit dem Integrationsministerium, der Jewish Agency, Keren Kayemeth LeIsrael und dem Jewish National Fund USA organisiert hat.
Corona treibt auch viele Osteuropäer nach Israel. Der israelische Fernsehsender i24 News berichtete, dass Nativ, Israels Behörde für die Alija aus Ländern der früheren Sowjetunion, 20.000 neue Einwanderungsgesuche erhalten habe – vor der Pandemie waren es 6000.
OLIM Einer derer, die in den vergangenen Tagen nach Israel ausgewandert sind, ist Vadym Sergiyenko. Der 57-Jährige kam am 18. Mai mit 109 anderen Olim aus der Ukraine. »Ich bin so froh, nach Israel zu kommen«, sagte er der »Jerusalem Post«. »Die medizinische Versorgung in Israel hat ein ganz anderes Niveau als in der Ukraine. Gerade in Zeiten von Corona hat das für mich höchste Priorität.«
Sergiyenko, der aus Odessa stammt, möchte nach Ablauf der Quarantäne sofort nach Aschdod. »Ich habe lange darauf gewartet, endlich Alija machen zu können. Dort, wo ich gelebt habe, musste ich viele Jahre lang den Stolz auf mein Judentum unterdrücken.« Auch der Umgang mit Corona sei in Israel wesentlich verantwortungsvoller als in der Ukraine. »Es gab hier zwar gerade eine Hitzewelle, aber das macht mir keine Sorgen. Ich ziehe es vor, an einem warmen Ort zu leben – mit warmherzigen Menschen.«
Organisiert hatte den Flug die International Fellowship of Christians and Jews. Die Organisation, die finanziell auch die Jewish Agency fördert und Nefesh B’Nefesh mit ins Leben gerufen hat, half in den vergangenen 25 Jahren in Kooperation mit dem Ministerium rund 750.000 Juden bei ihrer Alija.