Polen

Außen vor in Warschau

Der Jüdische Gemeindebund ist enttäuscht, dass er zum Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht eingeladen wurde

von Gabriele Lesser  05.09.2019 12:37 Uhr

Polens Staatspräsident Andrzej Duda bei den Gedenkfeierlichkeiten am 1. September 2019 Foto: dpa

Der Jüdische Gemeindebund ist enttäuscht, dass er zum Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht eingeladen wurde

von Gabriele Lesser  05.09.2019 12:37 Uhr

In ganz Polen heulten am Sonntag um 4.45 Uhr die Sirenen. Sie erinnerten an den 80. Jahrestag des Überfalls der Wehrmacht auf Polen, den Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Schoa. Im Mittelpunkt der internationalen Gedenkfeiern standen die Kleinstadt Wielun zwischen Lodz und Breslau sowie die Hauptstadt Warschau. In Wielun hatten Sturzkampfbomber (Stukas) im Morgengrauen des 1. September 1939 Brand- und Sprengbomben abgeworfen.

Angereist waren rund 40 Delegationen aus EU- und NATO-Partnerstaaten. Das Wort ergriffen Polens Präsident Andrzej Duda, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und US-Vizepräsident Mike Pence.

Doch ob in Wielun oder Warschau – kaum jemand erinnerte an die Juden, die neben der polnischen Intelligenz vom ersten Kriegstag an schikaniert und ermordet wurden. Frank-Walter Steinmeier wandte sich sowohl am Morgen in Wielun als auch später in Warschau direkt an die Polen und bat um Vergebung für die deutschen Verbrechen.

Steinmeier In Warschau sagte er: »Vom ersten Tag des Krieges an nahmen die Deutschen Warschau unter Beschuss. Jahrelang wüteten sie in dieser Stadt, machten ganze Stadtviertel dem Erdboden gleich und deportieren ihre Bewohner. Sie ermordeten Männer, Frauen und Kinder. Polen, seine Kultur, seine Städte, seine Menschen – alles Lebendige sollte vernichtet werden.«

Er beendete seine Rede mit den Worten: »Ich bitte um Vergebung für Deutschlands historische Schuld. Ich bekenne mich zu unserer bleibenden Verantwortung.«

Monika Krawczyk, die Vorsitzende des Bundes der Jüdischen Gemeinden Polens, ist enttäuscht: »Ich wurde nicht einmal zu den Gedenkfeiern eingeladen. Als Gast war zwar unser orthodoxer Oberrabbiner willkommen, gewissermaßen als ökumenische Geste, doch sonst niemand aus unserer jüdischen Gemeinschaft.«

Es sei keineswegs so, dass die Juden – ob in Polen, Israel, Europa oder den USA – das Leid der Polen im Zweiten Weltkrieg nicht anerkennen würden. Rund drei Millionen ethnische Polen seien zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich geschickt, polnische Oberschulen und Universitäten geschlossen und fast anderthalb Millionen Polen für ihren Widerstand ermordet worden.

Aber es sei nun einmal eine historische Tatsache, dass die »Endlösung der Judenfrage« auf der Wannsee-Konferenz in Berlin vorbereitet und vor allem im deutsch besetzten Polen umgesetzt wurde. »Fast alle Vernichtungslager waren hier«, sagt Krawczyk. »Der Tatort für die Ermordung von fast sechs Millionen Juden Europas war das deutsch besetzte Polen. Und Präsident Steinmeier, der eigens zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns nach Polen kommt, bittet nur das polnische Volk um Vergebung, das jüdische aber nicht. Das ist enttäuschend.«

Holocaust Immerhin habe Polens Präsident Andrzej Duda in seiner Warschauer Gedenkrede auch den Völkermord an den Juden erwähnt, die Ghettos und Vernichtungslager im besetzten Polen. In Danzig jedoch habe Polens Premier Mateusz Morawiecki in seiner Rede von einem »Völkermord an der polnischen Nation« gesprochen. »Das ist falsch«, sagt Krawczyk, die von Beruf Anwältin ist. »Die Nazis setzten keine ›Endlösung der Polenfrage‹ in Gang. Polen sollten vielmehr als ›Untermenschen‹ für deutsche ›Herrenmenschen‹ arbeiten – egal ob im Altreich oder im neuen Lebensraum im Osten.«

Es sei ernüchternd, aber auch dieser Gedenktag habe erneut gezeigt, wie groß die Wissenslücken selbst bei denjenigen seien, die sich alle Mühe gäben, es richtig zu machen. »In Berlin wird darum gestritten, ob ein ›Polen-Denkmal‹ oder doch besser ein Okkupations-Museum errichtet werden soll. Ich plädiere für ein großes Museum, damit sich die Menschen einen Eindruck vom Alltagsleben der Zivilbevölkerung in verschiedenen Ländern unter deutscher wie sowjetischer Okkupation verschaffen können.«

München

Rabbiner offerieren »Gemeindepaket«

Mit besonders auf kleine Gemeinden abgestimmten Dienstleistungen will die Europäische Rabbinerkonferenz halachische Standards aufrechterhalten

 05.09.2024

Sport

Deutsche U21-Fußballer treffen auf Israel

Das Spiel wird heute im Fernsehen übertragen

 04.09.2024

Slowakei

Eine Rolle reist durch Europa

Imrich Donaths Familie rettete einst die Sefer Tora der Gemeinde von Šal’a vor den Nazis

von Kilian Kirchgeßner  02.09.2024

Rima Hassan

Die Hetzerin

Französische Politiker fordern Ermittlungen gegen die israelfeindliche Europaabgeordnete

von Michael Thaidigsmann  03.09.2024 Aktualisiert

Amy Winehouse

Auf Amys Spuren

Unser Autor besucht Menschen, die der einzigartigen Sängerin etwas bedeutet haben

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  01.09.2024

Schweiz

Davos: Zwei abgelehnte Asylbewerber tatverdächtig

Der Angriff auf einen orthodoxen Juden wurde von Männern unbekannter Herkunft verübt

 30.08.2024 Aktualisiert

Weltraumtourismus

Rocket Man

Wetterprobleme: Jared Isaacman wartet weiterhin auf seinen SpaceX-Raumflug

von Detlef David Kauschke  29.08.2024

Schweiz

Ein Faden für Zürich

Der lang ersehnte, erste Schweizer »Eruv« steht kurz vor seiner Vollendung

 27.08.2024

Schweiz

»Sie schlugen mich, spuckten mich an und riefen ›Free Palestine!‹«

Das Opfer äußert sich zu dem Angriff in Davos

von Imanuel Marcus  26.08.2024