Dunkelhäutige, orientalische, sefardische, jemenitische oder äthiopische Juden machen nicht nur Erfahrungen mit Antisemitismus, sondern sind häufig auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft Opfer von Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung.
Als Reaktion auf die Black-Lives-Matter-Proteste gab der britisch-jüdische Dachverband Board of Deputies of British Jews (BoD) deshalb im vergangenen Jahr einen Bericht in Auftrag, den eine eigens dafür eingesetzte »Kommission gegen Rassismus und für Inklusion in der jüdischen Gemeinschaft« erarbeiten sollte.
betroffene Letzte Woche wurde das 112 Seiten umfassende Papier in London vorgestellt. Es entstand auf Basis von Gesprächen mit Betroffenen. Sie machen 0,5 Prozent der jüdischen Gemeinschaft aus – und die wiederum stellt 0,5 Prozent der britischen Gesellschaft dar.
Für den Leiter der Studie, Stephen Bush, Redakteur für Innenpolitik beim britischen Wochenmagazin »New Statesman«, ist das durchaus symbolisch. »Keiner kann sagen, auf die kleine Minderheit müsse keine Rücksicht genommen werden.« In Zukunft, so Bush, werden immer mehr Gemeindemitglieder eine Vielfalt von Hintergründen haben. Schon allein aus diesem Grund sei es wichtig, den Bericht ernst zu nehmen.
Er dokumentiert nicht nur die rassistischen und diskriminierenden Erfahrungen der Betroffenen, sondern gibt auch 119 Empfehlungen, wie die Probleme angegangen werden können.
Sicherheitsdienst Manche Erfahrungen schockieren: Menschen, die, obwohl sie jüdisch sind, von Sicherheitsleuten vor der Synagoge abgewiesen wurden, Intoleranz gegenüber nicht-aschkenasischen Traditionen, Anstarren, feindselige Blicke und Herabwürdigungen, Ausgrenzung, fehlende Repräsentation, unfreundliche Klassifizierungen.
Der Bericht fordert, jüdische Menschen anderer Traditionen nicht als andere Gruppen anzusehen, sondern primär als Juden. Nicht nur aus orthodoxen Gemeinschaften kamen Berichte über diskriminierende Verhaltensweisen, sondern auch aus progressiven.
Der Bericht fordert, jüdische Menschen anderer Traditionen nicht als andere Gruppen anzusehen, sondern primär als Juden.
Eine Äußerung in dem Bericht sagt viel darüber aus, wie Menschen behandelt werden wollen: »Meine ideale Gemeinschaft ist die, wo Leute einfach ›Hallo‹ zu mir sagen und mir andere Leute vorstellen und wo (…) ich einfach als Mensch behandelt werde, statt mich über meinen Hintergrund ausfragen lassen zu müssen.«
sicherheitsdienste Stephen Bush empfiehlt, dass Sicherheitsdienste in Gemeinden Menschen nicht mehr nach ihrem Aussehen beurteilen, sondern alle gleich behandeln, und dass Gemeinden Personen haben, die andere willkommen heißen.
Juden nicht-aschkenasischer Abstammung sollten in die Gemeindevorstände und andere repräsentative Gremien gewählt werden.
Alle Gemeinden und Institutionen müssten sich, so heißt es weiter, antirassistischen Prinzipien verpflichten.
Jüdische Medien hätten eine Verantwortung, die jüdische Diversität stärker herauszustellen und rassistische Berichte zu vermeiden. Alle Mitglieder jüdischer Gemeinden, die Verantwortung tragen, sei es in der Jugendarbeit, im Rabbinat, in Vorständen oder als Geschäftsinhaber und Chefs von Unternehmen, sollten entsprechend geschult werden.
diversität Der Bericht empfiehlt jüdischen Einrichtungen, sich in der Wortwahl nicht immer an aschkenasischen und jiddischen Begriffen zu orientieren. Und jüdischen Gemeinden legt er ans Herz, zwei wichtige, für die Diversität symbolische Tage in ihren Kalender aufzunehmen: den 30. November als Gedenktag der Vertreibung der jüdischen Gemeinschaften aus arabischsprachigen Ländern und dem Iran sowie das jüdisch-äthiopische Sigd-Fest.
Schulen stehen dem Bericht zufolge in der Verantwortung, jüdische Geschichte breiter zu lehren, denn Juden kämen auch aus Afrika, Asien oder der Karibik. Und Jeschiwot und Rabbinerseminare sollen darauf achten, dass bisher unterrepräsentierte Bewerber aufgenommen werden.
Alle jüdischen Einrichtungen müssten ab jetzt Beschwerden sehr ernst nehmen, so der Bericht. Bush empfiehlt eine unabhängige Prüfstelle, an die sich Opfer wenden könnten, sollte ein Fall nicht zufriedenstellend behandelt worden sein.
In zwei Jahren will Bush überprüfen, wie die Empfehlungen umgesetzt wurden.