Manche Berufe verlieren mit der Zeit an Bedeutung, andere kommen neu hinzu – das dachte auch die Leitung des Budapester Bálint-Hauses, des größten jüdischen Gemeindezentrums in Mittelosteuropa, als sie das Projekt »TeenLab« ins Leben rief. Die Idee ist, jungen Leuten die Berufswahl zu erleichtern.
Die innovativen Programme ermöglichen es ihnen nämlich, eine Vielzahl von Fertigkeiten kennenzulernen. Im Angebot sind nicht nur eher geläufige Bereiche wie Elektronik oder Möbeldesign, sondern auch weniger traditionelle, dafür umso spannendere Beschäftigungen wie Vlogger, Motion Graphics oder die Organisierung von Start-ups.
start-up Eigentlich sind dies nicht unbedingt anerkannte Berufe im herkömmlichen Sinne, können jedoch an solche anknüpfen. Denn ein »ausgebildeter« Vlogger wird überall gut kommunizieren, sich professionell präsentieren können. Einer, der weiß, wie man ein Start-up auf die Beine stellt, wird sicherlich auch andere Projekte gut meistern. Kreativität, Kooperation, Kommunikation und kritisches Denken stehen im Mittelpunkt aller Kurse.
»Als wir uns umhörten, stellte sich heraus, dass echtes Interesse besteht, und zwar auch vonseiten der Eltern und Pädagogen«, erklärt Marcell Kenesei, Direktor des Bálint-Hauses. Sie würden eine Lücke schließen, denn Edutainment dieser Art wird an Schulen nicht angeboten.
Die Mentoren sind jung und Fachleute auf ihrem Gebiet. Die meisten sind jüdisch, dies war aber keine Voraussetzung bei ihrer Auswahl.
Die Mentoren sind jung und Fachleute auf ihrem Gebiet. Die meisten sind jüdisch, dies sei aber keine Voraussetzung bei ihrer Auswahl gewesen, heißt es. Viel wichtiger war es, dass sie mit Jugendlichen gut umgehen können und deren Sprache kennen. Immerhin sollen sie den Teenagern Berufe des 21. Jahrhunderts auf eine coole, nicht schulische Art schmackhaft machen. Die Struktur passt sich gut an die Eigenart dieser Altersgruppe an, die oft dazu neigt, ihre Vorlieben schlagartig zu ändern.
»Buffetartig« nennt das Kenesei, denn am Anfang können sie von allem ein bisschen kosten: Wenn ein Teilnehmer das Gefühl hat, dass der zuerst ausgewählte Kurs doch nicht der richtige ist, kann er zu einem anderen oder danach gar zu einem dritten Lehrgang wechseln, bis der passendste gefunden wurde. Am begehrtesten scheinen die Beschäftigungen zu sein, die etwas mit IT zu tun haben, wie die Entwicklung von Onlinespielen.
CORONA Die Corona-Pandemie hat den Start des Projekts nicht leicht gemacht. So war es unter anderem nicht möglich, in Schulen persönlich für das TeenLab zu werben, sondern nur über das Internet und Social Media. Auch am Infotag im Frühjahr hätten sich die Organisatoren mehr Interessenten gewünscht.
Die Zahl von etwa 20 registrierten Teilnehmern entmutigt das Team trotzdem nicht. »Vielleicht ist es sogar besser so, denn wir müssen das Ganze auch selbst noch lernen«, meint Marcell Kenesei. Ziel sei es, die Teilnehmerzahl jedes Jahr zu verdoppeln. Ideal wäre es, eines Tages die 80 zu erreichen.
Auf die Frage, inwieweit das Projekt mit dem Judentum zu tun hat, antwortet der Direktor: »Ständiges Lernen und Wissen zu überliefern, gehört zu unseren Geboten, auch wenn das nicht ausschließlich eine jüdische Tugend ist.« Er hoffe, dass die jungen Leute, die sich in den jüdischen Bräuchen weniger gut auskennen, als eine Art Nebeneffekt auch auf diesem Gebiet dazulernen.
Er und seine Kollegen seien zuversichtlich, dass durch das TeenLab eine neue junge jüdische Gemeinschaft entstehen wird, sagt Kenesei. Gerade in Zeiten, nach denen Schüler durch Homeschooling und andere Einengungen weniger Kontakt zueinander hatten, ist die Sehnsucht danach groß. Überdies würde er sich freuen, wenn sich nicht nur jüdische Jugendliche anmelden, denn zu den Aufgaben des Bálint-Hauses zählt es auch, Brücken zwischen Juden und Nichtjuden zu schlagen.