Es war ein historischer Moment, als Israel und Kosovo am 1. Februar die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbarten. Mit der Übereinkunft erkennt ein weiteres Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung Israel an.
Die Republik Kosovo geht aber noch einen Schritt weiter als die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Marokko und der Sudan: Pristina will seine Botschaft in Israels Hauptstadt Jerusalem eröffnen. Damit ist der Kosovo das erste europäische Land, das diesen Schritt geht. Bisher haben nur die USA und Guatemala ihre diplomatischen Vertretungen von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt.
Es wird das erste europäische Land mit einer Botschaft in Jerusalem sein.
Der Europäischen Union gefällt das nicht. Der außenpolitische Sprecher der EU, Peter Stano, drohte, der Kosovo würde durch die Botschaftsentscheidung seine Perspektive auf eine EU-Mitgliedschaft verspielen.
Die Regierung in Pristina ist offenbar bereit, dieses Risiko einzugehen – bedeutet die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel doch einen weiteren Durchbruch ihrer Bemühungen um internationale Anerkennung.
Historisch einzigartig war auch der Rahmen, in dem das Abkommen zustande kam: Es war die erste Zeremonie zur Aufnahme bilateraler Beziehungen, die von den Außenministern zweier Staaten per Videokonferenz abgehalten wurde.
VERMITTLUNG Wie schon bei den bilateralen Abkommen im vergangenen Jahr kam auch die Übereinkunft zwischen Israel und Kosovo durch Vermittlung der USA zustande.
An der Übereinkunft maßgeblich mitgewirkt hat die Diplomatin Ines Demiri. Bei der Zeremonie in Pristina saß sie an der Seite der kosovarischen Außenministerin Meliza Haradinaj-Stublla.
Die 41-jährige Demiri hat viele Jahre im Konsulat des Kosovo in New York gearbeitet und ist Tochter von Votim Demiri, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde des Kosovo in der Stadt Prizren im Südwesten des Landes.
Ines Demiri wird ab dem Frühjahr als erste Botschafterin ihres Landes in Israel ihren Dienst antreten. »Auf diesen Moment haben wir so lange gewartet«, schrieb sie am Abend des Abkommens auf ihrer Facebook-Seite. »Der heutige Tag markiert die erste Seite eines neuen Kapitels, das zwischen dem Kosovo und Israel geschrieben wird, und ich fühle mich zutiefst geehrt, die erste Diplomatin des Kosovo für den Staat Israel zu sein.« Seit Langem setzt sich Ines Demiri für die Verbesserung der Beziehungen zu Israel sowie für den Erhalt jüdischer Stätten im Kosovo ein.
Geschichte Nach Angaben der jüdischen Gemeinde von Pristina, »Bet Israel Kosova«, leben heute rund 86 jüdische Familien im Land. Viele können ihre Wurzeln bis ins 15. und 16. Jahrhundert zurückverfolgen, als jüdische Flüchtlinge aus Spanien und Portugal ins Osmanische Reich kamen und sich auf dem Balkan niederließen.
Was die beiden Gemeinden in Pristina und Prizren vereint, ist der Einsatz für das jüdische Erbe im Land. Nach Ansicht von Ruzhdi Shkodra, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Pristina, wird die diplomatische Übereinkunft mit Israel dem Anliegen neuen Schwung verleihen.
»Für unsere Gemeinde ist das Abkommen von entscheidender Bedeutung, da es uns mehr Möglichkeiten eröffnen wird, die jüdische Tradition im Land zu bewahren«, sagt Shkodra. Der Gemeindechef setzt auf israelische Hilfe in den Bereichen Bildung, Kultur und Religion. »Hier brauchen wir als Gemeinde dringend Unterstützung«, sagt er.
Shkodra ist 59 Jahre alt und stammt aus der kleinen Stadt Desivojce. Seit seinem zweiten Lebensjahr lebt er mit seiner Familie in Pristina. Seine beiden Kinder sind vor einigen Jahren zum Studium nach Israel gegangen.
bürokratie Wie dringend seine Gemeinde Unterstützung von außen benötigt, erzählt Shkodra anhand eines Beispiels. Bereits vor 18 Jahren habe seine Gemeinde einen Antrag zur Errichtung einer modernen Synagoge bei den Behörden in der Hauptstadt eingereicht. »Leider hat die lokale Verwaltung es bis heute nicht geschafft, die Bürokratie zu überwinden und ein passendes Baugrundstück für unsere Synagoge auszuweisen«, sagt Shkodra.
Die historische Synagoge von Pristina ließ die kommunistische Regierung Jugoslawiens 1963 abreißen. Seither hat die Gemeinde in der kosovarischen Hauptstadt kein eigenes Bethaus mehr. Auch einen festen Rabbiner gibt es nicht. Der letzte Rabbiner von Pristina, Rabbiner Josif Levi, amtierte bis kurz vor dem Holocaust.
Damals zählte die jüdische Gemeinde im Kosovo rund 1700 Mitglieder. Weniger als die Hälfte überlebte die italienische und später die deutsche Besatzung. Von den im Land verbliebenen Schoa-Überlebenden verließen nach 1948 die meisten den Kosovo und wanderten nach Israel aus.
Die Juden in Pristina benötigen dringend Unterstützung von außen.
In Prizren hat die jüdische Gemeinde bereits einen ersten Erfolg in Sachen Synagoge erzielt. Dort hat die Verwaltung der Gemeinde ein Haus für ein Museum und einen Betraum zur Verfügung gestellt. In Pristina wartet man weiter.
Gemeindechef Shkodra betont, dass das Problem aber keinesfalls Antisemitismus sei. »Ich bin sehr stolz, dass es in dem Ort, in dem ich geboren wurde und in dem ich lebe, niemals einen Vorfall von Antisemitismus gegeben hat«, sagt er. Das Versagen der Behörden sei im Kosovo ein Problem, das nicht nur die jüdische, sondern alle Religionsgemeinschaften gleichermaßen betreffe.