Schweiz

Auf Herzls Spuren

Wie Basel sich auf den 125. Jahrestag des Ersten Zionistenkongresses vorbereitet

von Peter Bollag  16.07.2022 23:06 Uhr

Auf dem Balkon des Basler Hotels »Les Trois Rois«: Theodor Herzl am Rand des Ersten Zionistenkongresses Foto: GPO Photo

Wie Basel sich auf den 125. Jahrestag des Ersten Zionistenkongresses vorbereitet

von Peter Bollag  16.07.2022 23:06 Uhr

Ganze 125 Jahre ist es her, dass sich in den letzten Augusttagen 1897 auf Initiative von Theodor Herzl jüdische Delegierte aus Ost und West in Basel versammelten, um die Möglichkeiten zur Gründung eines jüdischen Staates zu diskutieren.

Als man 2017 den 120. Jahrestag des Ereignisses begehen wollte, titelten Schweizer Zeitungen mit »Die Feier ist abgesagt« oder »Kein Jubiläumsanlass in Basel«. Monatelang war darüber spekuliert worden, ob der damalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu den Jubiläumsfeierlichkeiten der 120. Wiederkehr des Zionistischen Gründungskongresses nach Basel reisen würde.

Zum 120. Jahrestag fielen die Feierlichkeiten ins Wasser – diesmal soll alles besser werden.

Doch die Diskussion darüber, ob die Sicherheit des Regierungschefs und seiner Entourage zu bewerkstelligen wäre, überschattete sämtliche Festpläne. Die Schweizer Behörden monierten, sie seien in die israelischen Pläne nicht eingeweiht. Schließlich zog die Basler Regierung als potenzielle Organisatorin die Notbremse und sagte jegliche Feierlichkeiten ab – was vorübergehend zu einer Verstimmung zwischen Bern und Jerusalem führte, die aber schnell beigelegt werden konnte.

PLANUNG Doch diesmal soll alles anders laufen: Das beschlossen die World Zionist Organization (WZO) und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) und begannen gemeinsam schon relativ früh, eine Feier in Basel zu planen. Vermutlich auch mit dem Wissen, dass es wohl dieses Jahr auf längere Sicht die letzte Gelegenheit sein wird, des historischen Datums umfangreich zu gedenken. Denn vermutlich wird die nächste große Feier erst 2047 zum 150. Jahrestag stattfinden. Doch anders als 2017 gelang es, die Basler Regierung von Anfang an im Boot zu haben.

Auch diesmal wird ein hoher Gast aus Israel erwartet: Staatspräsident Isaac Herzog hat für den großen Festakt am 29. August im Basler Stadt-Casino, wo der Erste Zionistenkongress 1897 stattfand, zugesagt. Eingeladen wurden auch der Schweizer Bundespräsident sowie Außenminister Ignazio Cassis.

Mit Herzogs Teilnahme schließt sich ein Kreis: Denn dessen Vater Chaim Herzog hatte 1987 als erster Mann im Staat an den damaligen Feierlichkeiten in Basel teilgenommen – es war gleichzeitig der erste offizielle Besuch eines israelischen Staatspräsidenten in der Schweiz überhaupt.

Erwartet werden am Jubiläumswochenende Ende August rund 1000 Gäste aus Israel und aus aller Welt.

Erwartet werden am Jubiläumswochenende Ende August rund 1000 Gäste aus Israel und aus aller Welt. Neben dem großen Festakt zum Jubiläum, zu dem nur Geladene Zutritt haben, ist noch ein ganztägiges Seminar geplant, das sich mit den wirtschaftlichen Aussichten für den Nahen Osten befasst.

Zudem führt die Internationale Christliche Botschaft Jerusalem einen Tag vor dem offiziellen Jubiläum ebenfalls im Stadt-Casino eine eigene Festveranstaltung durch. Verschiedene Podien und Seminare in der Woche vor dem eigentlichen Jubiläumsdatum runden die Feierlichkeiten ab.

TOURISMUS Dass israelische Gruppen in diesem Sommer im großen Stil nach Basel reisen, um hier den Spuren der Gründungsgeschichte des jüdischen Staates nachzugehen, sei nicht bekannt, erklärt Basel Tourismus auf Anfrage. Auch das Hotel »Les Trois Rois« (Drei Könige), in dem Herzl seinerzeit übernachtete, äußert sich zurückhaltend: Anfragen würden »aus Sicherheitsgründen« meist abschlägig beantwortet.

Das heißt, auch der Balkon, wo das berühmte Foto entstand, auf dem der Hauptbegründer des politischen Zionismus tiefsinnig auf den vorbeifließenden Rhein schaut, ist nur für wenige Gäste zu besichtigen.

Dennoch oder gerade deshalb seien »Basel und der Erste Zionistenkongress Teil der zionistischen sowie Teil der jüdischen Geschichte hier in der Schweiz, aber auch weltweit«, betont SIG-Präsident Ralph Lewin.

pressekonferenz Bei einer Pressekonferenz erinnerte Lewin, der vor 25 Jahren als Mitglied der Basler Regierung selbst in die Planung des historischen 100. Jahrestags 1997 eingebunden war, an die wichtige Rolle Basels für den Staat Israel. So ging beispielsweise auch der letzte Kongress vor der Staatsgründung 1948 in der Rheinstadt über die Bühne – ein Kongress, auf dem über Israels Staatswappen und die Nationalhymne entschieden wurde.

Die Stadt Basel und die Schweiz lassen sich die Feierlichkeiten einiges kosten.

Die Stadt Basel und die Schweiz lassen sich die Feierlichkeiten zum 125. Jahrestag einiges kosten: So sind für die Sicherheit knapp sechs Millionen Franken veranschlagt – für Schweizer Verhältnisse eine nicht geringe Summe.

Die sonst eher beschauliche Basler Innenstadt wird sich am 29. August in eine Art Hochsicherheitszone verwandeln, auch wenn die Verantwortlichen der Basler Polizei der Bevölkerung schon jetzt versichern, diese werde von dem Ganzen eher wenig mitbekommen.

DEMOS Basel gilt schon heute ein wenig als »Demo-Hauptstadt der Schweiz«. Kaum eine andere Stadt des Landes zählt im Verhältnis zur Bevölkerung so viele Demonstrationen. Anti- oder Pro-Israel-Demonstrationen im Umfeld der Feier sind bis jetzt nicht angekündigt, aber das könnte sich noch ändern.

Worüber manche Basler ein wenig schmunzeln müssen: Zeitgleich zum Zionistenkongress-Jubiläum trifft sich in der Rheinstadt auch die gesamte Schweizer Schwinger-Elite. Just an jenem letzten August-Wochenende findet im Basler Vorort Pratteln die größte Sportveranstaltung des Landes statt: das Eidgenössische Schwingfest, eine Art schweizerische Spielart des Ringens.

Rund 60.000 Gäste werden erwartet, und die Stadt organisiert ein Public Viewing, um auch Teil der Veranstaltung sein zu können. Was den Sicherheitskräften allerdings entgegenkommt: Wenn die israelischen Staatsgäste in Basel eintreffen, sollte das Schwingfest gerade zu Ende sein.

Social Media

Auschwitz-Komitee zieht sich von Plattform X zurück

Überlebende des Holocaust empfinden den antisemitischen Hass auf X als zunehmend bedrohlich

 21.11.2024

USA

Loyal und radikal

Der künftige Präsident Donald Trump vergibt wichtige Ministerposten an Personen, die bislang nicht durch Kompetenz aufgefallen sind, sondern eher durch Kontroversen von sich reden machten

von Michael Thaidigsmann  21.11.2024

Nachruf

Der Vater des Budget-Tourismus ist tot

Arthur Frommer wurde 95 Jahre alt

von Imanuel Marcus  20.11.2024

New York/Malibu

»Mein Name ist Barbra«

Die Streisand-Autobiografie erscheint auf Deutsch

von Christina Horsten  20.11.2024

Schweiz

Konservative Christen gegen den ESC

Eine Minipartei erwirkt ein Referendum gegen das hohe Rahmenbudget für den Eurovision Song Contest. Dabei geht es auch um Israel

von Peter Bollag  19.11.2024

Italien

Schoa-Überlebende rügt Papst für Genozid-Kommentar

Edith Bruck ist 93 Jahre alt und mit Papst Franziskus befreundet. Jetzt hat sie ihn aber mit deutlichen Worten kritisiert

 19.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Tschechien

Oscar-reifer Held am Mikrofon

»Wellen« feiert den KZ-Überlebenden Milan Weiner, der 1968 die Sowjets in Schach hält

von Kilian Kirchgeßner  17.11.2024

USA

Impfgegner, Verschwörungstheoretiker, Gesundheitsminister

Donald Trump beruft mit Robert F. Kennedy einen Mann als Gesundheitsminister, der auch durch antisemitische Verschwörungstheorien von sich reden macht

von Michael Thaidigsmann  15.11.2024