Ein Antirassismusgesetz gibt es in Griechenland bereits seit 1979. Doch mit dem Aufkommen der rechtsradikalen Chrysi Avgi (»Goldene Morgenröte«) schien dies kein ausreichender Schutz mehr zu sein – gibt es in griechischen Gesetzen doch zu viele Schlupflöcher, sodass Angriffe aus rassistischen Motiven zunehmend straflos bleiben.
Anfang September wurde im Athener Parlament zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen ein Entwurf für ein neues Antirassismusgesetz vorgestellt. Es soll rassistische Propaganda und Übergriffe aus religiösen Motiven sowie Benachteiligung wegen sexueller Orientierung strenger bestrafen. Griechenland passt sich damit endlich den Standards der Europäischen Union an.
entwurf Doch der Weg dahin war steinig, denn der orthodoxe Klerus zog gegen den Entwurf zu Felde. Die Geistlichen empörten sich nicht nur darüber, dass Homosexuelle stärker geschützt, sondern auch, dass allein die Leugnung des Holocaust unter Strafe gestellt werden sollte. Die Genozide der Pontosgriechen, der Armenier und aller verfolgten Christen müssten ebenso anerkannt werden, betonten die Kirchenmänner. Was also ursprünglich als Gesetz angedacht war, um Neonazis zu bestrafen, wenn sie gegen Ausländer und Schwule hetzen, Hitler und Goebbels verehren sowie den Holocaust leugnen, sollte nun auch vor der Leugnung anderer Genozide schützen.
Da sich neben den orthodoxen Kirchenleuten auch zahlreiche Abgeordnete der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia gegen den ersten Gesetzesentwurf stellten, sah sich Justizminister Charalambos Athanasiou gezwungen, die Vorlage im ersten Anlauf zurückzunehmen und zu ändern.
Debatte Vergangene Woche wurde im Parlament über den Neuentwurf debattiert. Dabei ging es vor allem um die Artikel 2 und 3, in denen es heißt, dass bestraft wird, wer Genozide lobt oder sie verbal nicht als solche anerkennt und wer über diese Verbrechen im Internet schreibt, um rassistische Propaganda zu betreiben.
Diesmal waren es die Abgeordneten der linksliberalen Syriza-Partei, die Mängel an der Formulierung beanstandeten: Wo hört die freie Meinungsäußerung auf, und wo beginnt die verbale Propaganda, fragten sie. Auch finde sich keine klare Formulierung im Gesetz, dass rassistische Taten wirklich bestraft würden. Darüber hinaus kritisierten die linken Abgeordneten, dass der Justizminister – weil noch nicht alle Fragen geklärt waren – das Parlament bat, über den gesetzlichen Schutz homosexueller Partnerschaften erst zu einem späteren Zeitpunkt zu debattieren.
Das Parlament in Athen hat das neue Antirassismusgesetz vergangene Woche schließlich verabschiedet – allerdings ohne die Zustimmung des linksliberalen Syriza-Flügels, der kommunistischen Partei KKE und der Abgeordneten der »Goldenen Morgenröte«.
Lob Im Gegensatz zum Athener Debakel begrüßten der Bürgermeister von Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt des Landes, Yiannis Boutaris, und Vertreter der jüdischen Gemeinde das neue Gesetz. Boutaris hatte sich Ende August bei der Vereidigung der neuen Stadtregierung einen »Judenstern« ans Jackett geheftet, um seine Zustimmung zu dem Gesetz zu demonstrieren.
Auch der Direktor der jüdischen Gemeinde Thessaloniki, Samuel Iosafat, äußerte sich sehr zufrieden über das neue Gesetz: »Wegen des zunehmenden Rechtsradikalismus in Europa ist es wichtig, dass auch in Griechenland Angriffe gegen Juden deutlich schärfer bestraft werden«, erklärte Iosafat. »Die jüdische Gemeinde von Thessaloniki hat sich immer sicher gefühlt, doch durch das Erstarken der ›Goldenen Morgenröte‹ ist eine engere Zusammenarbeit mit dem Staat noch mehr notwendig geworden, um alle öffentlichen Räume der Gemeinde besser geschützt zu wissen.«
Eine Frage bleibt in dieser Debatte jedoch offen: Wäre das neue Gesetz auch durchgebracht worden, wenn es ausschließlich darum gegangen wäre, die Leugnung des Holocausts unter Strafe zu stellen?