Die Arbeitslosigkeit kam wegen des Corona-Lockdown so plötzlich über die Menschen in Brooklyns Distrikt Flatbush, dass sie noch nicht in der Lage waren, ihren Familien die gewohnten Mahlzeiten zu Pessach zu bieten.
Das rief The Metropolitan Council on Jewish Poverty auf den Plan. Zusätzlich zu ihren bereits existierenden 149 Ausgabestellen organisierte die kurz »Met Council« genannte Hilfsorganisation gemeinsam mit örtlichen Rabbinern und dem Flatbush Community Fund ein Hilfsprogramm.
Finanziert wurde dies von einem privaten Spender und der UJA-Federation of New York. Die UJA (United Jewish Appeal) ist die größte örtliche Hilfsorganisation weltweit.
gutscheine Auf diese Weise erhielten 182 Familien Gutscheine im Wert von bis zu 250 Dollar, die sie im Kosher Palace Supermarket einlösen konnten. Dessen Eigentümer legte noch einmal zehn Prozent darauf, sodass 275 Dollar pro Familie zusammenkamen.
Um es den Corona-Geschädigten leichter zu machen und damit sie ihre Würde wahren können, wurde ihnen das Geld einfach auf ihren Kundenkonten beim Supermarkt gutgeschrieben.
Für David G. Greenfield, den Geschäftsführer des Met Council, war diese Aktion nur eine unter vielen. »Die Zahl der Menschen, die wegen des Coronavirus leiden, ist so groß. Diese Aktion haben wir zusätzlich zu den rund 500 Tonnen Lebensmitteln, die wir im Distrikt bisher verteilt haben, ins Leben gerufen.«
45,5 Prozent der New Yorker Juden sind arm oder armutsgefährdet.
Greenfield steht dem Met Council seit Anfang 2018 als CEO vor. Der einflussreiche Lokalpolitiker der Demokraten und Juraprofessor verzichtete 2017 auf eine weitere Kandidatur, um dem Council zu helfen.
schräglage Die Organisation war wegen krimineller Machenschaften seiner vormaligen Führungsspitze in Schräglage geraten. Greenfield wollte sie wieder zu dem machen, was sie einst war: New Yorks führende jüdische Hilfsorganisation. Gegründet wurde der Met Council 1972, nachdem Studien nachgewiesen hatten, dass rund 300.000 New Yorker Juden in Armut lebten.
Die Arbeit des Met Council ist heute notwendiger denn je. Denn mittlerweile wird die Zahl der Juden in New York City, die als arm oder armutsgefährdet gelten, auf 500.000 geschätzt. Das sind 45,5 Prozent der in der Stadt lebenden Juden.
Nimmt man den Großraum hinzu, also auch New Jersey und Upstate New York, so ist es immer noch ein Viertel aller Juden. Das ist eine gewaltige Zahl, die sich wohl nur aus der Schieflage staatlicher Sozialsysteme in Kombination mit einer Ballung ultraorthodoxer Familien in einem Borough wie Brooklyn erklären lässt.
Der Met Council wird von den Bedürftigen vor allem wegen seines Systems der koscheren Küchen geschätzt.
Die Not ist groß bei den armen Juden in der reichsten Stadt der Welt. Und so wird der Met Council von den Bedürftigen vor allem wegen seines Systems der koscheren Küchen geschätzt. Mehr als 40 koschere Tafeln (und mehr als 100 zur Ausgabe von Feiertagsmahlzeiten) betreibt der Met Council. Dies ist das größte Netz an koscherem Essen in den Vereinigten Staaten.
Das Met Council’s Kosher Food Network beschafft koschere Lebensmittel und verteilt sie auf seine Tafeln. Zusätzlich unterstützt das Food Network die Einrichtung, Unterhaltung und Interessenvertretung der Tafeln. Jedes Jahr werden rund 7,4 Millionen Mahlzeiten ausgegeben.
Tafeln Wichtig ist dem Council, dass seine Hilfe auch anderen Bedürftigen zugutekommt. »Unsere Partnertafeln unterstützen arme und armutsgefährdete Menschen, die zu wenig zu essen haben – unabhängig von ihrer Ethnie, ihrem Glauben, ihrer Herkunft, sexuellen Orientierung oder ihrem Geschlecht«, heißt es beim Met Council.
So befördern die jüdischen Helfer den Gemeinsinn in ganz New York, wobei auch die 7,4 Millionen Mahlzeiten pro Jahr nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind.
Im Laufe der Jahre hat der Met Council ein umfangreiches Programm aufgebaut. Es reicht von günstigem Wohnen, Ämterhilfe, sozialem Notfallservice über einen kostenlosen Handwerkerservice, die Unterstützung gegen häusliche Gewalt bis zu Sonderprogrammen für Schoa-Überlebende und vieles mehr. Im Vordergrund steht bei all dem die Würde der Hilfsbedürftigen.
So erlaubt es das neue Digital Choice Food Pantry System, dass Bedürftige ihr Essen zu Hause online bestellen – und gleich einen Abholtermin vereinbaren können.
programm Zusätzlich gibt es noch das EFC-Programm. EFC steht für Emergency Food Cards (Notfall-Lebensmittelkarten). Das sind Guthaben-Kreditkarten, auf die eine bestimmte Summe vorab eingezahlt wurde. Den American-Express-Karten ist nicht anzusehen, dass sie Teil einer Wohlfahrtseinrichtung sind, sondern sie können wie jede normale Kreditkarte eingesetzt werden. Gerade in Corona-Zeiten ist ein dermaßen flexibles Hilfsprogramm, das Menschen nicht zu Bittstellern macht, eine segensreiche Einrichtung.
In den Tagen der Corona-Pandemie bedürfen diese Programme jedoch auch eines wesentlich stärkeren gesellschaftlichen Engagements als in ruhigeren Zeiten. »Wir haben erlebt, wie die Zahl der Notfälle innerhalb von nur einer Woche um mehr als 57 Prozent gestiegen ist«, sagt Greenfield in einem dramatischen Appell. »Wenn die Regierung nicht handelt, werden die meisten Tafeln in New York binnen weniger Tage schließen müssen.«
Im Mittelpunkt der Arbeit des Met Council steht die Würde der Bedürftigen.
Da kam die Spende der Stadtregierung New Yorks gerade recht. Vergangene Woche erhielten die Ernährungshelfer in der Stadt 25 Millionen Dollar Sondersubven-tionen. Met Council als größte Organisation bekam sechs Millionen Dollar.
anwaltskanzleien Mit diesem Geld werden Menschen mit (koscherem) Essen versorgt, von denen niemand annehmen konnte, dass sie jemals ein solches Angebot wahrnehmen würden – am wenigsten sie selbst. Oder, wie David Greenfield es kürzlich der New York Times gegenüber formulierte: »Zuerst sind Verkäufer zu uns gekommen, dann Köche, Kellner und Restaurantbesitzer. Jetzt haben wir Angestellte von Anwaltskanzleien als Gäste – Menschen, die ihr ganzes bisheriges Leben gearbeitet haben.«
Mit der neuen Spende bleibt Greenfield hoffentlich erspart, was er einige Wochen zuvor erlebt hat. »Ein Tafel-Manager kam zu mir und sagte: ›Ich ertrage es nicht, wir haben kein Essen mehr, die Leute kommen und heulen und schreien.‹« Es ist nichts mehr, wie es war, bevor Corona kam.