Die gute Nachricht, wenn es denn eine gibt: Das Opfer des Attentats vom vergangenen Samstag hat inzwischen das Krankenhaus verlassen. Der 31-jährige angehende Rabbiner Jehoshua Malik erlitt Verletzungen am Hals, als er auf dem Weg zum morgendlichen Schabbatgottesdienst in der Belzer Synagoge auf offener Straße mit einem spitzen Gegenstand – vermutlich einem Messer – angegriffen wurde. Das Attentat ereignete sich nahe der Eisenbahnbrücke, die sich mitten durch das jüdische Viertel am Antwerpener Hauptbahnhof zieht. Jeden Schabbat sind dort Tausende Bewohner zwischen ihren Häusern und den Synagogen unterwegs.
Polizei Auch zwei Tage nach dem Angriff fehlt von dem Täter jede Spur. Die Polizei nahm am Samstag kurze Zeit nach der Tat einen verdächtigen Mann fest, ließ ihn jedoch wieder frei, da er mit dem Angriff offenbar nichts zu tun hatte. Interne Sicherheitsdienste bezogen anschließend Stellung vor den Synagogen in der Stadt. Die jüdische Wochenzeitschrift Joods Actueel berichtet von »Konsternierung und Angst«, der Täter könne erneut zuschlagen.
Die Folgen des Anschlags sind in Antwerpen auch zu Wochenbeginn noch zu spüren. »Wir sind geschockt«, sagte Lieve Schacht, Redakteurin bei Joods Actueel, der Jüdischen Allgemeinen. »Auf der Straße merkt man keinen Unterschied, aber die Menschen sind unruhig und ängstlich. Natürlich ist es nicht das erste Mal. Nach dem Attentat im Jüdischen Museum in Brüssel im Mai war klar, dass dies nicht nur dort passieren kann – man wusste, dass auch die Juden in Antwerpen verletzbar sind.«
Die Polizei setzt bei der Suche nach dem Attentäter auf die Aufzeichnungen von Video-Kameras in der Umgebung. Weil es darüber hinaus aber auch am Montag noch keinerlei Hinweise gibt, halte man »alle Optionen offen«, einschließlich eines »rassistischen« Hintergrunds, so der Pressesprecher der Antwerpener Polizei.
Deutlicher wurde das flämische Forum der Joodse Organisaties (FJO): »Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es hier um eine Tat aus purem Antisemitismus geht«, liest man in einer Erklärung. Neben dem Abscheu über den Angriff drückt man die Hoffnung aus, »die Autoritäten werden alles Nötige tun, jüdische Einrichtungen zu schützen«.
Schutz Mit just diesem Thema beschäftigt sich der liberale Antwerpener Politiker Claude Marinower schon länger. Seit die Regierung in den benachbarten Niederlanden im September beschloss, den Schutz jüdischer Einrichtungen mit 1,5 Millionen Euro zu bezuschussen, setzt sich Marinower für eine ähnliche Regelung in Belgien ein. Doch betont er: »Gerade die Geschehnisse vom Samstag zeigen, dass alle Sicherheitsvorkehrungen eine solche Tat nicht ausschließen können.«
Marinower, einer der bekanntesten jüdischen Politiker Belgiens, warnt, vorschnelle Schlüsse bezüglich des Täters zu ziehen. »Deutlich aber ist: Das Opfer wurde angegriffen, weil es leicht als Jude zu erkennen war.«
Viele fragen sich: Wie soll man jetzt mit der Unsicherheit umgehen? »Angst«, sagt Julien Klener, Präsident des Consistoire Central Israélite de Belgique, »hat noch nie etwas gelöst. Und existenzielle Fragezeichen gibt es ja nicht erst seit Samstag. Aber erhöhte Wachsamkeit ist notwendig und eine moralische Pflicht.«