Finnland-Wahl

Alles beim Alten

Der bisherige Oppositionsführer Juha Sipilä (M.) holte die meisten Stimmen. Foto: dpa

Am Sonntag haben die Finnen ein neues Parlament gewählt. Die meisten Stimmen holte der bisherige Oppositionsführer Juha Sipilä von der liberal-konservativen Zentrumspartei. Die Wähler erteilten damit dem bisherigen Mehrparteienbündnis unter Führung des konservativen Ministerpräsidenten Alexander Stubb eine klare Absage.

Das finnische Wahlrecht ist kompliziert. Doch eines ist wohl jetzt schon absehbar: Trotz stattlicher 21 Prozent der Stimmen und damit voraussichtlich 49 der 200 Sitze im Parlament ist Finnlands neuer Premierminister Sipilä auf Koalitionspartner angewiesen.

Wahrscheinlichster Kandidat ist die rechtspopulistische Partei »Die Finnen« von Timo Soini. Trotz leichter Verluste gegenüber den letzten Wahlen kam sie mit 17,6 Prozent Stimmenanteil auf 38 Parlamentssitze und ist somit zweitstärkste Kraft im neuen Parlament.

Dan Kantor, Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde Helsinki, sieht den Wahlerfolg der europakritischen Rechtspopulisten gelassen. »Die Finnen sind weitaus weniger radikal und aggressiv als andere rechtspopulistische Parteien in Europa, etwa die Schwedendemokraten oder der Front National in Frankreich«, sagte Kantor der Jüdischen Allgemeinen am Montag.

Auswirkung Einzige Auswirkung auf das jüdische Leben in Finnland könne eine neue Befeuerung von Themen wie Beschneidung und Schächten haben, vermutet der Gemeindevertreter. Einen entsprechenden Antrag hatte die Fraktion der Finnen-Partei im vergangenen Jahr bereits im Parlament eingebracht. Einen Rechtsruck befürchtet Kantor hingegen nicht. Er wertet das Wahlergebnis eher als »konservativen Schub«.

Gideon Bolotovsky, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Finnland, reagierte ähnlich gefasst. »Juden sind selbstverständlicher Teil der finnischen Gesellschaft«, betonte Bolotovsky gegenüber der Jüdischen Allgemeinen. Ihre 200-jährige Geschichte in Finnland sei eine »Ausnahmegeschichte von Integration«.

Die Vorstöße der Rechtspopulisten gegen die Beschneidung und das Schächten richteten sich daher aus seiner Sicht eher gegen Muslime. »Die Finnen-Partei ist gegen Einwanderung – und in diesem Zusammenhang für alles, was Muslimen das Leben in Finnland erschwert«, erklärt der finnische Zentralratsvorsitzende.

fahrwasser In diesem Fahrwasser einwandererfeindlicher Politik betreffe die Beschneidungsdebatte dann natürlich auch die jüdische Minderheit, meint Bolotovsky. Die Partei »Die Finnen« hatte gerade mit Euroskepsis und Antiflüchtlingspolitik bei den Wählern gepunktet. Ein Paradox, findet der Zentralratschef. Denn immerhin sei Finnland Teil der EU.

Doch im Gegensatz zum Nachbarland Schweden, das im vergangenen Jahr allein 55.500 Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufnahm, fanden in Finnland 2014 gerade einmal 1000 Menschen Zuflucht.

Andererseits gelten »Die Finnen« als ausgesprochen israelfreundlich. Ihr Chef Timo Soini war bislang Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im finnischen Parlament und gibt sich betont israelfreundlich. Falls er Finnlands nächster Außenminister werden sollte, käme das den Beziehungen mit Israel »durchaus zugute«, glaubt Bolotovsky.

Bleibt also für die jüdische Minderheit in Finnland alles positiv beim Alten? Im Grunde schon, meint Gemeindemitglied Karmela Belinki. Anfangs hätten zwar einige Ultranationalisten in der Finnen-Partei »antisemitische Tendenzen« gezeigt, berichtet die Historikerin. Doch Parteivorsitzender Soini habe sie kurzerhand aus der Partei ausgeschlossen.

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später am Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  17.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025