Das einfache, aber gemütlich eingerichtete Restaurant ist an diesem regnerischen Mittag gut besetzt. Es herrscht Hochbetrieb an allen Tischen, die Gespräche verlaufen angeregt. In der Küche und im Service arbeiten einige Menschen aus Sri Lanka. Unweigerlich fällt ein Mann mit Anzug, Krawatte und einer schwarzen Kippa auf, der offensichtlich viele Menschen zu kennen scheint.
Der Mann mit Kippa im »Haus der Religionen« in Bern ist Michael Kohn, seit Kurzem der Rabbiner der jüdischen Gemeinde, nachdem der gebürtige Norweger vorher schon gut zwei Jahre Assistenzrabbiner in der Schweizer Hauptstadt war. »Man kennt mich hier gut«, lacht er.
Zertifikat Kein Wunder, denn dank seines Einsatzes ist das Restaurant in diesem den verschiedenen Weltreligionen gewidmeten Haus nun auch koscher. Das bescheinigt das Kaschrut-Zertifikat hinter der Theke, wie man es von entsprechenden Betrieben aus der ganzen Welt kennt. Das Zertifikat bestätigt zudem, dass das Restaurant am Schabbat geschlossen ist.
»Die Küche ist im Judentum ein ganz wichtiger Ort, auch ein durchaus spiritueller.«Rabbiner Michael Kohn
Das Spezielle am Berner Restaurant ist, dass es in keiner Weise als koscheres Unternehmen etabliert wurde, sondern als ayurvedisches Restaurant, das von Hindus nach ihren Regeln geführt wird. »Ich esse eben gerne«, begründet Rabbiner Kohn, warum er versuchte, das Restaurant koscher zu machen.
Dann, eine Spur ernster: »Die Küche ist im Judentum ein ganz wichtiger Ort, auch ein durchaus spiritueller.« Natürlich brauchte es die Bereitschaft des Restaurantbetreibers Sasikumar Tharmalingam, sich darauf einzulassen, die Küche von Rabbiner Kohn kaschern zu lassen und sich anschließend auch laufend den nötigen Kontrollen zu unterziehen.
Die Lebensmittelregeln für Hindus sind ebenfalls sehr streng. Deshalb hat der Koch Verständnis für die Kaschrut-Aufsicht.
Eier »Ein Vorteil ist dabei sicher, dass die Lebensmittelregeln für Hindus ebenfalls sehr streng sind, den koscheren durchaus vergleichbar«, sagt Rabbiner Kohn. So sind beispielsweise Eier (im Gegensatz zur koscheren Küche) nicht erlaubt. Geschirr, das damit in Kontakt kommt, kann nicht mehr benutzt werden. Und auch für das Küchenpersonal gelten strenge religiöse Auflagen:
»Ich darf die Küche nur frisch geduscht betreten«, erzählt Sasikumar Tharmalingam. Auch nach einem Toilettenbesuch müsse er zuerst wieder duschen, bevor er weiterkochen darf. Deswegen habe man auch Verständnis für die koscheren Kontrollen, die Rabbiner Kohn in Zusammenarbeit mit seinem Team durchführt.
Gemüse und Süßkartoffeln stehen regelmäßig auf dem Speiseplan, dazu Reis.
Vereinfacht wird die Koscher-Aufsicht auch dadurch, dass es im Berner Religionsrestaurant nur ein Menü pro Tag gibt: Gemüse und Süßkartoffeln stehen regelmäßig auf dem Speiseplan, dazu Reis. Auch das Problem von »Bischul Akum«, also dem Kochen durch Nichtjuden, das die Halacha nicht erlaubt, konnte Rabbiner Kohn lösen. Die Leiterin des Kulturprogramms im Haus der Religionen, Brigitte Rotach, ist selbst jüdisch und kann jeweils das nötige Feuer am Herd entzünden, wie es das Religionsgesetz vorschreibt.
Dass es in der Schweizer Hauptstadt das erste Mal seit Jahrzehnten wieder die Möglichkeit gibt, sich an fast allen Wochentagen koscher zu ernähren, werde in der jüdischen Welt bemerkt, glaubt Rabbiner Kohn. »Kürzlich hatten wir hier eine Schewa Brachot, also eine Hochzeits-Nachfeier«, erzählt er.
Hummus Und der Wirt aus Sri Lanka berichtet, dass ihm eine israelische Reisegruppe Komplimente machte. Die Gäste hätten sogar verschmerzt, dass die ayurvedische Küche kein Hummus kennt. »Ich hoffe aber, dass der Rabbiner mir noch beibringt, wie man gutes Hummus macht!«
Der traditionelle Käsekuchen für Schawuot für die Gemeinde kommt allerdings nicht aus dem »Haus der Religionen«: »Den machen auch in diesem Jahr die Damen unseres Frauenvereins«, erzählt Rabbiner Kohn.