Portugal

Aleph, Beth und Kruzifixe

Forscher finden an Häusern in Bergdörfern Markierungen, die jüdisches Leben im 16. Jahrhundert belegen

von Kevin Zdiara  25.06.2013 07:25 Uhr

Kreuz an einem Hauseingang in Guarda Foto: Kevin Zdiara

Forscher finden an Häusern in Bergdörfern Markierungen, die jüdisches Leben im 16. Jahrhundert belegen

von Kevin Zdiara  25.06.2013 07:25 Uhr

Seit einigen Jahren verzeichnet Portugal ein großes Interesse am jüdischen Teil der eigenen Landesgeschichte. Viele Portugiesen gehen auf die Suche nach ihren jüdischen Wurzeln, und so hat sich die kleine jüdische Gemeinde Portugals seit zehn Jahren mehr als verdreifacht. Nicht wenige von ihnen sind Nachfahren sogenannter Anusim, die nach der Zwangschristianisierung im 16. Jahrhundert hinter verschlossenen Türen weiterhin jüdische Rituale ausübten.

Dass die Zahl dieser »verborgenen« Juden in Portugal nach der Inquisition groß gewesen sein muss, belegt eine neue Studie. In der nordöstlich gelegenen Region Guarda haben drei Forscher Hunderte Markierungen dokumentiert, die eine große Präsenz von Juden in der Vergangenheit andeuten.

Bergdorf Unter der Leitung des Soziologen Alberto da Trinidade Marinho von der Katholischen Universität in Viseu untersuchten die Wissenschaftler die teilweise jahrhundertealten Gebäude in den kleinen Bergdörfern. »Allein in dem Ort Santa Marinha gibt es mehr als 42 Häuser mit Markierung, die auf jüdische Bewohner hinweisen«, betont Marinho.

Für das Auge eines Laien oftmals nicht auf den ersten Blick zu erkennen, gibt es an den steinernen Türrahmen der dortigen Häuser eindeutige Anzeichen dafür, dass dort einmal Mesusot angebracht waren. Außerdem fanden die Forscher Kruzifixe, hebräische Schriftzeichen und Symbole, die von Juden verwendet wurden, um ihre Häuser zu kennzeichnen. Zunächst mag es verwundern, dass Kruzifixe Hinweise für die Anwesenheit von Juden sein sollen.

Die Historikerin Laurinda Gil Mendes, die sich mit diesen Markierungen beschäftigt hat, erklärt den Widerspruch: »Vor dem Hintergrund der Verfolgung durch die Inquisition sind die Kreuze vor allem als öffentliche Bekräftigung des christlichen Glaubens von Menschen zu verstehen, die früher aufgrund ihres jüdischen Glaubens verfolgt wurden – es sind also Zeichen der Angst.«

Die Dokumentation wurde auch von José Levy Domingos begleitet, einem Mitglied der örtlichen jüdischen Gemeinde. »Zusätzlich zu den Markierungen finden sich in einigen Häusern auch Elemente, die wahrscheinlich als Toraschrein gedient haben«, sagt Domingos.

Doch die Hinweise, dass es in dieser Region auch nach der Inquisition jüdisches Leben gab, beschränken sich nicht nur auf architektonische Zeugnisse. So fügt Professor Martinho ergänzend hinzu: »Hier gibt es alles: Häuser, Markierungen, mündliche Überlieferungen, Erzählungen, Volksweisheiten.« Die Funde erlaubten eine Rekonstruktion des sozialen und wirtschaftlichen Lebens der Juden in den Dörfern.

Neu-Christen José Levy Domingos geht es nicht nur um die wissenschaftliche Erschließung des historischen Erbes, er möchte auch die heutigen Bewohner der Dörfer auf den jüdischen Teil ihrer Geschichte aufmerksam machen. »Die Menschen wissen zwar, dass es hier früher Juden und Neu-Christen gegeben hat, aber die Überraschung war groß, als wir ihnen genau sagen konnten, in welchen Häusern diese Menschen damals gewohnt haben.«

Die Forschungsergebnisse bieten für Domingos außerdem die Möglichkeit, jüdische Touristen in die Region zu holen. »Wir planen ein Ecomuseum, das es Besuchern ermöglichen soll, mit GPS-Geräten und einem kleinen Handbuch die Markierungen eigenständig zu erforschen.« Das Dörfchen Santa Marinha soll in einen Rundweg des jüdischen Erbes integriert werden, der den Ort Gouveia umfasst, wo Überreste der letzten vor der Inquisition errichteten Synagoge aus dem Jahr 1496 stehen, sowie Trancoso, wo sich ein eindrucksvolles Judenviertel aus dem Mittelalter befindet. Domingos arbeitet bereits eng mit den lokalen Behörden zusammen.

USA

Modisch und menschlich

Seit 25 Jahren betreibt Allison Buchsbaum eine Galerie für zeitgenössischen Schmuck in Santa Fe

 22.10.2024

Großbritannien

»Zionistisch und stolz«

Phil Rosenberg, der neue Chef des Board of Deputies of Jews, über den Kampf gegen Judenhass

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  20.10.2024

Südafrika

Terroristin auf dem Straßenschild?

In Johannesburg soll eine wichtige Hauptverkehrsstraße nach der Flugzeugentführerin Leila Chaled benannt werden

von Michael Thaidigsmann  16.10.2024

New York

Versteck von Anne Frank wird nachgebaut

Rekonstruktion soll zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz in New York zu sehen sein

von Annette Birschel  16.10.2024

Österreich

Wenn der Rebbe keltert

Schlomo Hofmeister kauft jedes Jahr Trauben und produziert seinen eigenen koscheren Wein

von Tobias Kühn  16.10.2024

Lufthansa

Millionenstrafe wegen Diskriminierung von Juden

Die USA sanktionieren die Airline wegen des Ausschlusses von 128 jüdischen Fluggästen vom Weiterflug nach Ungarn

 16.10.2024

Indien

Kosher Mumbai

Mithilfe der »Jewish Route« soll in der indischen Metropole der reichen jüdischen Vergangenheit gedacht und eine Brücke zur Gegenwart geschlagen werden

von Iris Völlnagel  15.10.2024

Ungarn

Identitäten im Dilemma-Café

»Haver« nennt sich eine Stiftung, deren Ziel es ist, nicht-jüdischen Jugendlichen durch Spiele und moderierten Diskussionen das Judentum näherzubringen

von György Polgár  14.10.2024

Ungarn

Willkommen in Szarvas!

Einen Sommer über haben Kinder aus Osteuropa, aber auch aus Israel oder der Türkei in Szarvas neben Spaß und Spiel auch Stärke und Resilienz tanken können

von György Polgár  14.10.2024