Es ist neun Uhr morgens, gleich beginnt in diesen Tagen auch in der jüdischen Schule Leo Adler in Basel der Unterricht – etwas später als üblich. Um daran teilzunehmen, muss sich die neunjährige Shaked Rotkop aber nicht wie sonst auf den Schulweg begeben.
Sie bleibt in ihrem Zimmer. Shakeds Mutter Gilat meldet sich dafür im Computer an – und nur kurz darauf sieht Shaked ihre Mitschülerinnen und Mitschüler auf dem Bildschirm, und selbstverständlich auch ihre Lehrerin.
Wie andere Schulen hat auch die Basler Schule sofort auf das sogenannte Homeschooling oder E-Learning gesetzt, also die Vermittlung des Schulstoffs, der jüdischen wie der allgemeinen Fächer, via Computer.
Schließung »Bereits am letzten Sonntag, nur zwei Tage, nachdem die Schweizer Regierung die Schließung aller Schulen anordnete, begannen wir mit der Schulung der Lehrkräfte«, erzählt Rabbiner Moshe Baumel, der auch Leiter der Schule ist. Alle seien mit großer Begeisterung dabei gewesen, nicht nur Kinder und Lehrpersonen, sondern auch Eltern.
Bei der fachlichen Schulung leistete der Vater eines Kindes, der in der Computerbranche tätig ist, freiwillige und sofortige Hilfe. Am vergangenen Dienstag kamen die Kinder einzeln oder mit einem Elternteil in die Schule, um ihre Hefte und weitere Utensilien abzuholen, die sie für das E-Learning benötigen.
Und das selbstverständlich in kleinen Gruppen und nach einem Zeitplan, damit sich nicht zu viele Personen in den Schulräumen aufhalten – mit 25 Kindern ist die jüdische Schule Leo Adler eine sehr kleine Schule. Ein Vorteil beim Unterricht via E-Learning mag sein, dass die Lehrpersonen großenteils jünger und mit technischen Geräten meist gut vertraut sind.
Auch in der viel größeren jüdischen Schule Noam in Zürich hat man sich schon lange auf den aktuellen Ernstfall vorbereitet, berichtet Rektor Kilian David Grütter: »Wir haben unser Notfall- und Krisenmanagement breit aufgestellt und schon Ende Februar, als die aktuelle Situation noch kaum vorstellbar war, einen vierköpfigen Krisenstab gegründet.«
Kommunikation Lital Reshef, Rektorin für die jüdischen Fächer in der Schule, ergänzt: »Uns war die Kommunikation mit allen Beteiligten, mit den Eltern, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrpersonen sowie dem Vorstand sehr wichtig.« Viele positive Elternrückmeldungen bestätigten, dass die Kommunikation als wichtiger Punkt in einer Krise wie der aktuellen gilt und die Schule in dieser Hinsicht gut aufgestellt sei.
Deshalb sei man auch entsprechend vorbereitet gewesen, als es dann in der vergangenen Woche ernst wurde, betonen die Verantwortlichen der Noam-Schule. So konnte schnell mit dem Unterricht via Computer begonnen werden, schneller als in fast allen staatlichen Schulen. Außerdem zeigte sich eine Mutter solidarisch und spendete gleich 33 Laptops, die diese Art von Unterricht noch etwas einfacher machen.
Tagesstruktur Dankbar dafür, dass die jüdischen Schulen so schnell reagierten, ist auch Gilat Rotkop in Basel, die eigentlich aus Israel stammt: »Es ist gut, dass meine Tochter nach der Schulschließung so schnell wieder eine ziemlich normale Tagesstruktur erhalten hat.«
Ein Ausschlafen bis 10 oder 11 Uhr wie am Wochenende sei an den Schultagen nicht möglich und ist aus Sicht von Gilat Rotkop auch nicht erwünscht. Nach dem Unterricht könne ihre Tochter Shaked im Schul-Chat noch mit ihren Schulfreundinnen im Kontakt bleiben und Neuigkeiten austauschen – als Ersatz für die physischen Begegnungen, die zurzeit nicht stattfinden können. Und immerhin sogar mit denjenigen Kindern, die bereits für die Pessach-Ferien nach Israel reisten und dort online sind.
Nicht auf E-Learning setzen in der jetzigen Krise die orthodoxen jüdischen Schulen in der Schweiz (wie auch in anderen Ländern). Das Telefon übernimmt hier die Funktion des Laptops oder Computers, der in manchen orthodox-jüdischen Kreisen nicht genutzt wird. Doch auch diese Methode erweist sich als hilfreich: »Das funktioniert sehr gut, wir sind mit den ersten Ergebnissen sehr zufrieden«, heißt es dazu auf Anfrage bei der Jüdischen Mittelschule Basel.