Kabul

Afghanistans letzter Jude will jetzt auch weg

Lebte seit Langem allein in der ehemaligen Synagoge Kabuls: Zebulon Simantov (2014) Foto: imago/ZUMA Press

Es war wohl das letzte Pessachfest, das er in der Heimat feierte: Zebulon Simentov, der letzte Jude Afghanistans, will Medienberichten zufolge schon bald das Land verlassen. »Ich werde von Israel aus im Fernsehen verfolgen, was in Afghanistan passiert«, sagte er der saudischen Tageszeitung »Arab News«.

Er habe angesichts der politischen Turbulenzen in dem Land genug und plane, in den nächsten Monaten zu gehen, so Simentov. Er lebt seit langem in einem verfallenen Gebäude, das auch Kabuls ehemalige Synagoge beherbergt.

SYNAGOGE Das 1966 erbaute jüdische Gotteshaus war zuletzt das einzige in Afghanistan, das den Wirren und Bürgerkriege der vergangenen Jahrzehnte getrotzt hatte. Simentov selbst stammt aus der Stadt Herat im Westen des Landes. Sie war einst das Zentrum des jüdischen Lebens in Afghanistan, das mehr als 1500 Jahre zurückreicht.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Seinen Schmuck- und Teppichhandel hatte Simentov bereits 2001 aufgeben müssen. Um einigermaßen über die Runden zu kommen, betrieb er zeitweise ein Kebab-Restaurant in der Synagoge und lebte von Zuwendungen jüdischer Organisationen im Ausland. Seine aus Tadschikistan stammende Frau und die gemeinsamen Kinder sind bereits seit vielen Jahren in Israel.

TALIBAN Er habe es geschafft, die Synagoge von Kabul zu beschützen, sagte Simentov »Arab News«. »Wie ein Löwe« habe er sich gegen die Mudschahedin und die Taliban gestellt, fügte der Endfünfziger an. Er verlasse das Gebäude aber nur noch selten, weil er die zunehmende Kriminalität und Bombenanschläge in Kabul fürchte.

Die meisten afghanischen Juden verließen bereits in den Vierziger- und Fünfziger-Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Land, und schon während der Herrschaft der Taliban bis zur Intervention westlicher Truppen gab es nur noch zwei Juden im Land: Simentov und Isaak Levi.

Sie kümmerten sich um die Synagoge, konnten sich gegenseitig aber nicht ausstehen. Nach dem Verschwinden einer Torarolle Ende der Neunziger-Jahre beschuldigten beide einander des Diebstahls, was ihnen die zeitweise Inhaftierung und Folter durch die Taliban einbrachte. Die Rolle ist seitdem verschollen.

Als der wesentlich ältere Levi 2005 starb, geriet Simentov sogar in Verdacht, ihn umgebracht zu haben, was aber durch eine Autopsie entkräftet wurde. Der lang anhaltende Zwist zwischen Simentov und Levi lieferte sogar die Vorlage für ein Theaterstück: »The Last Two Jews of Kabul« wurde 2002 in New York uraufgeführt. mth

Porträt

Der Iberzetser

Dass Russen heute noch Einblick in die jiddische Literatur erhalten, ist vor allem Walerij Dymschiz zu verdanken. Ein Treffen mit dem Sprachmittler in seiner Stammkneipe in St. Petersburg

von Polina Kantor  09.03.2025

Großbritannien

Auf der Couch bei Ms. Freud

Sie ist die Urenkelin des prominentesten Psychologen der Welt. In ihrem Video-Podcast »Fashion Neurosis« stellt Bella Freud die Fragen

von Nicole Dreyfus  08.03.2025

Dokumentation

»Mein Name ist Gal. Und ich bin Jüdin«

Die israelische Schauspielerin Gal Gadot erhielt den International Leadership Award der ADL. Ihre Dankesrede fällt kämpferisch aus

 07.03.2025

Madrid

Polizei fahndet nach Mann mit »Neonazi-Ästhetik«

Im Fall des vereitelten Brandanschlags auf die Pizzeria Rimmon Kosher in Madrid wurde bislang noch kein Verdächtiger verhaftet

 07.03.2025

Jesse Eisenberg

Erst gab es einen Oscar, jetzt die polnische Staatsbürgerschaft

In seinem Film »A Real Pain« nehmen zwei Cousins auf den Spuren ihrer Großmutter an einer Holocaust-Gedenktour in Polen teil

 06.03.2025

Spanien

Versuchter Brandanschlag auf jüdisches Restaurant in Madrid

Nur durch das schnelle Eingreifen des Personals konnte offenbar Schlimmeres verhindert werden

 06.03.2025

Hollywood

Die Oscars bleiben in der Familie

Fast ohne Hassreden und politische Statements gerieten die 97. Academy Awards zum Fest des besten Kinos

von Sophie Albers Ben Chamo  06.03.2025

Aserbaidschan

Ein Jude singt beim ESC für ein muslimisches Land

Asaf Mishijev ist stolz auf seine Heimat – und ebenso stolz auf die jüdische Gemeinschaft und Israel

von Hannah Persson  05.03.2025

USA

Fels in der Brandung

Journalistisch, komisch, literarisch – und immer auch jüdisch: Das legendäre Magazin »The New Yorker« wird 100

von Sebastian Moll  05.03.2025