Brüssel

Abend des Erinnerns

Für Martin Schulz, den erst in der vergangenen Woche neu gewählten Präsidenten des Europäischen Parlaments, war es eine seiner ersten öffentlichen Amtshandlungen: Am Dienstagabend hatte er zu einer Feierstunde aus Anlass des Internationalen Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus in den Yehudi-Menuhin-Raum des Brüsseler Parlamentsgebäudes geladen.

Seine Rede war sehr persönlich gehalten. Schulz erzählte, was es für ihn als ersten deutschen Präsidenten des Europaparlaments bedeute, die Feier zum Holocaust-Gedenktag zu eröffnen. Als Sohn eines Wehrmachtssoldaten, der in Russland eingesetzt worden war, sei er sich dessen bewusst, dass die heute lebenden Deutschen zwar nicht schuldig seien, doch ergebe sich für jeden deutschen Repräsentanten eine besondere Verantwortung gegen- über den Juden in aller Welt.

Öleinfuhr An der Gedenkstunde nahm auch der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), Moshe Kantor, teil. Dieser gab sich als Sohn eines russischen Weltkriegssoldaten zu erkennen und wies in seiner Ansprache darauf hin, dass es heute einen Staat gebe, der Israel vernichten wolle: Iran. Kantor begrüßte die Beschlüsse der EU zur Drosselung der Öleinfuhren aus dem Iran. Europa »hat damit die Funktion eines Schrittmachers für den Rest der Welt übernommen«.

Auf dieses Thema ging auch der israelische Informations- und Diasporaminister Yuli Edelstein ein. Er sagte bei der Gedenkstunde in Brüssel, Israel werde im Bedarfsfall dafür sorgen, dass »nie wieder« auch wirklich »nie wieder« heißen werde.

Zu den beeindruckendsten Auftritten des Abends zählte der von Gabriel Bach. Der Chefankläger im Eichmann-Prozess 1961 und spätere Richter am Obersten Gerichtshof des Staates Israel legte dar, wie Dokumente und Zeugen Eichmann als fanatischen Täter ausgewiesen hätten, der sogar schriftlich festgehalten habe, dass es ihm um die Vernichtung des jüdischen Volkes gegangen sei und der dazu sogar ausdrückliche Befehle Hitlers unterlaufen habe. Bach berichtete von seinen vielen Auftritten gerade vor jungen Leuten, sehr oft auch in Deutschland. Dabei begegne ihm »ermutigend viel Interesse«, sagte er.

In der vorausgegangenen Pressekonferenz hatte sich EJC-Präsident Kantor vor allem zum Antisemitismus heute geäußert. »Es kann nicht um statistische Spielchen gehen: in diesem Land eine Straftat weniger, in jenem eine Straftat mehr.« Beunruhigend sei die starke Zunahme von antisemitischen Inhalten im Internet. Aber auch in der realen Welt gebe es Grund zur Beunruhigung. So sei in Schweden ein »nicht für möglich gehaltener Antisemitismus« zu beobachten.

Antisemitismus Das habe sogar dazu geführt, dass immer mehr Mitglieder der jüdischen Gemeinde Malmö die Stadt verlassen. »Bemühungen des EJC, mit der schwedischen Regierung darüber zu einem Gespräch zu kommen, sind erfolglos geblieben«, so Kantor. Auch die neueste Antisemitismus-Studie, die soeben in Deutschland veröffentlicht wurde, müsse ein Grund zur Beunruhigung sein. Wenn 20 Prozent der Bevölkerung zumindest latent antisemitisch seien, könne das nicht tatenlos hingenommen werden.

Yuli Edelstein hob hervor, dass der Nahostkonflikt nach israelischen Studien keine maßgebliche Ursache von Antisemitismus sei. Der Minister verwies auf Beispiele wie den kürzlichen Vorfall in Chile, wo ein israelischer Rucksacktourist fahrlässig durch eine Zigarette anscheinend einen Brand verursacht hatte.

Die Reaktionen in der Gesellschaft seien heftig gewesen. Sie hätten sich aber nicht etwa gegen die Touristenschwemme gerichtet und auch nicht gegen Backpacker. Noch nicht einmal israelfeindlich seien die Reaktionen gewesen. Stattdessen habe sich der Zorn gegen »die Juden« gerichtet. Der Nahostkonflikt habe da offenkundig keine Rolle gespielt.

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

Vereinigte Arabische Emirate

EU kritisieren Todesstrafe für Mörder von Chabad-Rabbiner

Ein in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebender Rabbiner wurde verschleppt und ermordet. Ein Gericht verurteilte drei Täter zum Tod. Der Auswärtige Dienst der EU äußert Bedauern

 10.04.2025

Argentinien

Amia-Anschlag in Buenos Aires soll vor Gericht kommen

Hinter dem Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum sollen die Hisbollah und Irans Regierung stecken. Nach vielen Jahren will die Anklage nun zehn Verdächtigen in Abwesenheit den Prozess machen

 08.04.2025

"Marsch der Lebenden"

Koschere Speisen für Besucher der Gedenkstätte Auschwitz

Wer religiös ist und heute die Gedenkstätte in Auschwitz besucht, soll in Kürze leichter Speisevorschriften einhalten können

von Leticia Witte  08.04.2025

Großbritannien / Belgien

Gaza-Krieg: Britische Anwälte gehen gegen IDF-Soldaten vor

In London wurde gegen zehn IDF-Soldaten Anzeige wegen angeblicher Kriegsverbrechen erstattet. Ähnliche Fälle gibt es auch in anderen Ländern

von Michael Thaidigsmann  07.04.2025

Israel

Zwei britische Abgeordnete bei Einreise abgewiesen

Der britische Außenminister David Lammy spricht von einem inakzeptablen Vorgehen

 06.04.2025