»Die Zukunft gehört den starken Nationen, und wir haben ... heute Abend gezeigt, dass Ungarn dazu gehört«, ruft Ministerpräsident Viktor Orbán ins Mikrofon. Die Parlamentswahlen am Sonntag haben der nationalkonservativen Regierungspartei Fidesz einen neuen Sieg gebracht. Ähnlich wie 2012 bekommt sie eine Zweidrittelmehrheit in der Nationalversammlung. Rund 45 Prozent der Wahlbeteiligten möchten Orbán weitere vier Jahre im Amt sehen.
Antisemitismus Rund 20 Prozent der Stimmen erhielt die rechtsextreme Jobbik-Partei, deren autoritäre, rassistische, antisemitische und homophobe Rhetorik offenbar eine große und treue Stammwählerschaft überzeugt hat. Jobbik erreicht damit ein leicht besseres Ergebnis als vor vier Jahren. Damals zogen die Rechtsextremisten mit 16,67 Prozent zum ersten Mal ins Parlament. »Das Ergebnis zeigt, dass Jobbik kein Zufall in der ungarischen Politik, keine Erscheinung einer einmaligen schlechten Laune bei den Wählern ist«, erklärt der Budapester Soziologe János Ladányi.
Die Gewinne der Jobbik-Partei sollten für Europa Anlass zur »tiefsten Besorgnis« sein, erklärte der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), Moshe Kantor. »Einmal mehr werden wir in Europa Zeugen davon, wie die Demokratie von jenen ausgenutzt wird, die effektiv die Feinde der Demokratie sind.« Ungarns neue Regierung müsse »sicherstellen, dass Hass nicht toleriert wird«, so Kantor.
Rechtsnational Die Spitze des jüdischen Dachverbands Mazsihisz schreibt in einem Gratulationsbrief an Premier Orbán: »Wir sind überzeugt, dass Sie und Ihre Regierung jede Form von Rassismus und Antisemitismus ablehnen werden.« Doch gerade die rechtsnationalen Untertöne spielen für Fidesz eine wichtige Rolle bei der Legitimierung ihrer Macht. Zwar distanziert sich Orbán offiziell vom Antisemitismus, doch sieht er die »moralische und kulturelle Reform« der ungarischen Gesellschaft als zentrale Aufgabe seiner Regierung.
In der Praxis orientierte sich die Kultur- und Sozialpolitik der letzten vier Jahre am Leitbild »harmonischer«, christlicher, kleinbürgerlicher Familien, die für ihr Wohl und das Vaterland arbeiten. Diese Vorstellung, zusammen mit einem Grundmisstrauen gegenüber Vielfalt und Kosmopolitismus, bestimmt die Personalpolitik in staatlichen Kultureinrichtungen wie Theatern, Museen und Universitäten.