Kindertagesstätten, Jugendzentren oder Seniorenheime – wer auch immer das Akronym WIZO liest oder hört, denkt sofort an die unzähligen sozialen Projekte, die die international aktive Frauenorganisation in den vergangenen Jahrzehnten auf die Beine gestellt hat.
Oder aber man denkt an honorige Damen in den jüdischen Gemeinden auf der ganzen Welt, die unermüdlich Spendengalas oder Basare organisieren, um Geld zu sammeln, damit in Israel Frauen, Kindern und Jugendlichen, Neueinwanderern und älteren Menschen, unabhängig von Religionszugehörigkeit und Herkunft, geholfen werden kann.
Jugenddörfer Rund 800 Programme und Einrichtungen für die unterschiedlichsten Zielgruppen betreibt die WIZO dort, darunter 182 Tagesstätten für 15.000 Kinder, 30 Beratungsstellen für Frauen sowie acht Schulen und Jugenddörfer. 250.000 Frauen in 50 Ländern sind ehrenamtlich für sie tätig.
All das macht WIZO zur größten Frauenorganisation der Welt, die darüber hinaus sogar einen Konsultativstatus im Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der Vereinten Nationen und bei UNICEF genießt. Und wie wichtig ihre Institutionen und Hilfsangebote sind, das führte die aktuelle Coronavirus-Krise allen gerade erneut sehr eindrücklich vor Augen.
FEMINISMUS Doch was den wenigsten bewusst ist: WIZO hat auch eine politische, ja sogar feministische Geschichte. Denn als vor genau 100 Jahren Rebecca Sieff, Vera Weizmann, Lizzie Hands, Romana Goldman und Edith Ayrton Zangwill in London mit anderen zusammenkamen, um die Women’s International Zionist Organisation ins Leben zu rufen, da hatten einige von ihnen schon reichlich Erfahrungen im Kampf um das Wahlrecht für Frauen gesammelt.
So waren in Großbritannien – und das ist wohl einmalig in der Geschichte der weltweiten Suffragetten-Bewegung – konfessionell ausgerichtete Initiativen aktiv, darunter eben auch die Jewish League for Woman Suffrage. Sie alle wünschten sich zudem mehr Gleichberechtigung innerhalb ihrer Gemeinschaften.
Aber auch in der zionistischen Bewegung rumorte es. Zwar gab es bereits seit 1897 eigene Plattformen für Frauen, doch war das vielen zu wenig. Sie forderten verbesserte Partizipationsmöglichkeiten und riefen deshalb 1919 in Großbritannien die Federation of Women Zionists ins Leben, eine Art Vorläufer der WIZO.
Die Gründerinnen reisten 1919 nach Palästina – und waren entsetzt.
Bereits auf dem Gründungskongress im Juli 1920 kamen Probleme und Ziele sehr deutlich zur Sprache. So präsentierte Lizzie Hands ein Papier mit dem Titel »Rechtliche Schwierigkeiten für Jüdinnen«. Darin wurden die Benachteiligungen von Frauen beispielsweise bei Scheidungen thematisiert. Und auch Rebecca Sieff hoffte, dass die Arbeit von WIZO dazu beiträgt, »Frauen dabei zu helfen, den ungleichen Status, den ihr die jüdische Religion zuspricht, zu überwinden«. Es ärgerte sie vor allem, dass es ihr nicht gestattet war, als Frau in einer Synagoge zu sprechen.
Zielgruppe Man wollte als WIZO eine möglichst große Zielgruppe ansprechen, also Frauen, die mit dem Zionismus bis dato vielleicht wenig zu tun hatten und wohl erst recht nicht mit dem Feminismus.
Auch beschäftigte man sich damals bereits mit der prekären Situation im Nachkriegs-Palästina, die man aus erster Hand kannte. So war unmittelbar nach der britischen Eroberung des Landes eine zionistische Delegation unter Leitung von Chaim Weizmann und Israel Sieff dorthin aufgebrochen, um die Lage zu sondieren. Frauen waren offiziell nicht Mitglieder dieser Zionist Commission – eine Tatsache, die vor allem Rebecca Sieff kritisierte.
Also machte sie sich gemeinsam mit Eva Weizmann 1919 selbst auf den Weg. Bald schon zeigten sich beide schockiert über die Missstände. Sie sahen, wie es Vera Weizmann notierte, »idealistische Frauen voller Enthusiasmus, die ihre spätere Mutterschaft und sogar ihre Gesundheit für das Gleichheitsprinzip aufs Spiel setzten. Sie arbeiteten zehn oder zwölf Stunden am Tag, hauten Steine für den Straßenbau, trugen schwere Lasten und verrichteten schier übermenschliche Aufgaben«.
PIONIERINNEN Sofort stellten die späteren WIZO-Frauen erste Überlegungen an, wie der Misere in Palästina konkret begegnet werden könnte, angefangen von Schulen speziell für Mädchen, landwirtschaftlichen Ausbildungszentren bis hin zum Aufbau von Einrichtungen zum Schutz von Kindern und Müttern. Ihre Ansätze von einst bildeten bereits das Fundament für die Art der Sozialarbeit, wie sie noch heute in Israel von WIZO geleistet wird.
Rebecca Sieff sollte 1920 auch zur ersten WIZO-Präsidentin ernannt werden – eine Position, die sie unglaublich lange 43 Jahre innehatte. In dieser Zeit kämpfte sie unermüdlich nicht nur für die Verbesserung der Lebensbedingungen für Frauen, sondern forderte immer wieder die paritätische Repräsentanz nach Geschlechtern in so wichtigen Gremien wie der Jewish Agency. Auch an diese Pionierrolle sollte erinnert werden, wenn man 100 Jahre WIZO feiert.